Rz. 88
Der Mehrbedarf nach Abs. 7 ab 1.1.2011 (vgl. auch § 77 Abs. 6) i. d. F. der Neuregelung ab 1.1.2021 setzt dezentrale Warmwassererzeugung voraus. Damit ist im Ergebnis gemeint, dass dem Leistungsberechtigten Mehraufwand entsteht, den er für die Zubereitung von Warmwasser aufbringen muss und den er nicht über die Heizkosten abrechnen kann. Das ist regelmäßig der Fall, wenn in der Unterkunft Vorrichtungen wie eine Gastherme, Boiler oder ein Durchlauferhitzer vorhanden sind, mit denen das Warmwasser zentral erzeugt wird. Zu diesen Vorrichtungen können auch Herde gehören. Entscheidend ist, dass der Warmwasserbedarf separat von der Heizanlage durch andere Vorrichtungen gedeckt wird und der Aufwand hierfür nicht durch die Leistungen nach § 22 abgegolten wird. Der Aufwand wird dann nicht nach § 22 Abs. 1 bei den Heizkosten als Bestandteil der Mietnebenkosten anerkannt. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Regelung wegen der vorhandenen Öffnungsklausel in der bis zum 31.12.2020 maßgebenden Fassung verfassungsrechtlich nicht beanstandet (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 10.3.2017, L 11 AS 31/17). Nach Maßgabe des Abs. 7 Satz 2 und 3 wird der Mehrbedarf jeder leistungsberechtigten Person gewährt.
Rz. 88a
Die Höhe des Mehrbedarfs richtet sich im Ergebnis nach dem Alter des Leistungsberechtigten im Haushalt. Er beträgt bei Volljährigen 2,3 % (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 10.12.2018, L 19 AS 1532/18) und damit bei einem Regelbedarf von 563,00 EUR monatlich (2024) in jedem Monat 12,95 EUR, bei einem Regelbedarf von 506,00 EUR monatlich in jedem Monat 11,64 EUR und bei einem Regelbedarf von 451,00 EUR monatlich in jedem Monat 10,37 EUR (§ 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1). Alle Mehrbedarfe sind nicht mehr zu runden. Dabei handelt es sich um Pauschalen, die von der Rechtsprechung als zulässig erachtet werden. Die Bemessung muss dabei auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 27.1.2014, L 19 AS 2013/13). Das BSG habe zuvor 30 % der Leistung für den Regelbedarf als Leistung für die Haushaltsenergie angesetzt. Dem Gesetzgeber stehe ein entsprechender Leistungsspielraum zu. Wird nicht der gesamte Bedarf an Warmwasser dezentral erzeugt, ist der Mehrbedarfszuschlag um den Betrag zu vermindern, der bereits als Aufwendung im Rahmen des § 22 Abs. 1 berücksichtigt wurde.
Rz. 88b
Bei Minderjährigen beträgt der Mehrbedarf bei einem monatlichen Regelbedarf von 471,00 EUR für Leistungsberechtigte im Alter von 14 bis 17 Jahren im Jahr 2024 in jedem Monat 6,59 EUR (1,4 %, Abs. 7 Satz 2 Nr. 2), bei einem monatlichen Regelbedarf von 390,00 EUR für Leistungsberechtigte im Alter von 6 bis 13 Jahren in jedem Monat 4,68 EUR (1,2 %, Abs. 7 Satz 2 Nr. 3) und bei einem monatlichen Regelbedarf von 357,00 EUR für Leistungsberechtigte im Alter von 0 bis 5 Jahren 2,86 EUR (0,8 %, Abs. 7 Satz 2 Nr. 4).
Rz. 88c
Abweichungen von den Mehrbedarfssätzen sind sowohl nach oben wie nach unten möglich. Die Mehrbedarfssätze sind abzusenken, wenn eine Mischversorgung vorherrscht, also ein Teil der Warmwasserzubereitung über die Heizkosten abgerechnet werden kann. Eine Erhöhung der Mehrbedarfssätze ist bei einem individuell abweichenden Bedarf, etwa aufgrund einer längerfristigen Erkrankung oder Behinderung, möglich. Ebenso können berufsbedingte Besonderheiten oder erhöhte Kosten wegen veralteter Anlagen einen im Einzelfall abweichenden Bedarf begründen (Bay. LSG, Urteil v. 18.9.2014, L 11 AS 293/13). Gerade deshalb ist die Regelung zu kritisieren, weil sie den Jobcentern einen besonderen Prüfaufwand und damit einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für eine vergleichsweise geringfügige Leistungsänderung auferlegt. Zudem ist es erforderlich, dass der Leistungsberechtigte über eine technische Vorrichtung verfügt, mit der der konkrete Energieverbrauch zur dezentralen Warmwassererwärmung und die dadurch verursachten Kosten ermittelt werden können (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 10.3.2017, L 11 AS 31/17). Dies hat der Gesetzgeber durch eine Änderung des Abs. 7 mit Wirkung zum 1.1.2021 bestätigt. Pauschbeträge können allerdings dem LSG zufolge nicht aufgrund allgemeiner Erwägungen zu möglicherweise anfallenden, konkret der Höhe nach jedoch unbekannten Kosten außer Kraft gesetzt werden. Die Rechtsprechung des BSG zu Kochgasabschlägen bei Gasabschlägen zu den Heizkosten (Hinweis auf BSG, Urteil v. 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R) könne schon wegen der umgekehrten Rechtssystematik nicht übertragen werden, vgl. aber Rz. 87e. Eine Schätzung des Aufwandes aufgrund bloßer Beweisschwierigkeiten soll selbst dann nicht rechtswirksam möglich sein, wenn sich der betroffene Leistungsberechtigte auf besondere Umstände beruft, etwa abweichende persönliche Verhältnisse oder technische Besonderheiten (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 30.1.2014, L 6 AS 1667/12). Jedenfalls die Schätzungsgrundlagen bedürften eines Vollbeweises. Für das LSG kommt die Anwendung der Öffnungsklausel schon...