Rz. 397
Voraussetzung für Leistungen nach Abs. 8 ist ferner, dass der Leistungsberechtigte nach dem Nachranggrundsatz die Notlage nicht selbst beseitigen kann. Zu den Selbsthilfemöglichkeiten gehört das Bemühen um eine Zahlungsvereinbarung z. B. mit dem Vermieter oder Stromversorger. Ein Jobcenter darf insoweit auf präsente Hilfsmöglichkeiten verweisen, die geeignet und zumutbar sind. Dazu kann auch ein zivilgerichtlicher Eilrechtsschutz gehören, wenn etwa eine Energieliefersperre offensichtlich unverhältnismäßig wäre (vgl. dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 18.8.2014, L 7 AS 1289/14 B ER). In diesen Fällen hat das Jobcenter den Leistungsberechtigten aktiv zu beraten und zu unterstützen. Der Leistungsberechtigte muss allerdings beim zuständigen Zivilgericht nur dann um vorläufigen Rechtsschutz gegen ein Versorgungsunternehmen nachsuchen, wenn er durch entsprechende Beratung und Hilfestellung in die Lage versetzt worden ist, die Möglichkeiten und Risiken eines solchen Rechtsschutzantrages abzuschätzen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 13.3.2012, L 2 AS 477/11 B ER). Schließlich kann bei Energiesachverhalten auch in Betracht kommen, sich zur Selbsthilfe um einen neuen Vertrag mit einem anderen Stromlieferanten zu bemühen.
Rz. 397a
Leistungsschwache Verbraucher dürfen aber nicht an Energieversorger mit Vorkasse verwiesen werden.
Rz. 397b
Das LSG Sachsen-Anhalt hat in seinem Beschluss v. 13.3.2012 (L 2 AS 477/11 B ER) die Auffassung vertreten, dass bei einer über einen langen Zeitraum andauernden Sperrung der Stromversorgung eine der drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbare Situation vorliegt. Die Ablehnung eines Darlehens komme danach nur in atypischen Fällen in Betracht. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat darauf hingewiesen, dass Energieschulden eigentlich nicht den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzurechnen sind. Drohende Stromsperren erfordern regelmäßig konsequente Beratung und Unterstützung durch den Leistungsträger (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.2.2012, L 7 AS 1716/11 B). Das Jobcenter ist zur Beratung und individueller Hilfestellung verpflichtet. Ein pauschaler Verweis auf zivilrechtlichen Eilrechtsschutz reiche dafür nicht aus.
Rz. 397c
Bei der Drohung einer Energiesperre muss das Jobcenter erst eingreifen, wenn der Leistungsberechtigte zumutbare Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um eine Fortsetzung der Energielieferung aus eigenem Vermögen zu erreichen. Neben Ratenzahlungen gehört auch das Bemühen um einen Vertragsabschluss mit einem anderen Stromanbieter zu den zumutbaren Möglichkeiten (SG Aachen, Beschluss v. 22.10.2014, S 14 AS 1004/14 ER). Lehnt ein Antragsteller es ab, mit dem Energieversorger Ratenzahlungen zur Begleichung von Stromschulden zu vereinbaren, und entrichtet er darüber hinaus die aktuell fälligen Abschlagszahlungen nicht, ist eine Übernahme der Energieschulden auch durch Gewährung eines Darlehens nicht gerechtfertigt. Das gilt selbst dann, wenn die Energiezufuhr bereits gesperrt ist.
Rz. 397d
Nach Auffassung des LSG Schleswig-Holstein muss ein Leistungsberechtigter, bevor eine Einstandspflicht des Jobcenters eintreten kann, ein nicht aussichtsloses Verfahren gegen einen Stromversorger vor dem Zivilgericht betrieben haben (Beschluss v. 13.1.2012, L 3 AS 233/11B). Hierfür führt die Rechtsprechung auch § 2 Abs. 1 als relevanten Hintergrund für die Verpflichtung des Leistungsberechtigten im Rahmen des Abs. 8 an. Nach Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen können Antragsteller nicht auf einen vorhergehenden Zivilrechtsstreit mit dem Energieversorger verwiesen werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 13.8.2013, L 7 AS 1134/13 B ER, 1135/13 B).
Rz. 397e
Eine darlehensweise Übernahme von Stromrückständen ist nach Abs. 8 nicht gerechtfertigt, wenn zuvor nicht alle zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft worden sind (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 8.10.2012, vgl. auch Beschluss v. 26.3.2014, L 7 AS 425/14 B ER, 426/14 B). Der Leistungsberechtigte muss sich im Rahmen der Selbsthilfe ernsthaft um Ratenzahlungsvereinbarungen beim bisherigen Energieversorger als auch um einen Vertragsabschluss mit einem anderen Stromanbieter bemühen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 29.12.2016, L 7 AS 2158/16 B ER, 2159/16 B ER).
Rz. 397f
Im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Leistungsberechtigte zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.3.2014, L 7 AS 425/14, 426/14). Dabei sind in einer Gesamtschau die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dazu gehören z. B. die Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, das Alter sowie evtl. Behinderungen des Leistungsberechtigten und anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, das bisher gezeigte Verhalten einschließlich eigener Bemühungen zur Vermeidung oder zum Ausgleich von Rückständen sowie ein erkennbarer Wille zur Selbsthilfe.
Rz. 397g
Ein Anordnungsgrund zur Verpflichtung des Jobcenters zur Übernahme von Unt...