Rz. 404a
Abs. 10 Satz 1 erlaubt grundsätzlich die Festlegung einer Gesamtangemessenheitsgrenze durch den kommunalen Träger, anhand derer die Angemessenheit der derzeitigen oder zukünftigen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu beurteilen ist. Die Gesamtangemessenheitsgrenze setzt sich aus der Grenze der Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft und denjenigen für die Heizung zusammen. Daraus folgt, dass eine Überschreitung der Angemessenheitsgrenze bei den Aufwendungen für die Unterkunft durch eine entsprechende Unterschreitung der Aufwendungen für die Heizung aufgefangen werden kann und umgekehrt. Im Ergebnis werden den Leistungsberechtigten damit mehr Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt. Eine Gesamtangemessenheitsgrenze kann bereits nach § 22b Abs. 1 Satz 3 bestimmt werden; bei Anwendung des Abs. 10 entfällt die Schwierigkeit, eine rechtssichere Satzung aufzustellen. Während der Karenzzeit nach Abs. 1 Satz 2 werden Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe unabhängig von ihrer Angemessenheit erbracht, eine Gesamtangemessenheitsgrenze nur für Heizkosten ist schon begrifflich widersinnig. Fälle des Abs. 10 beziehen sich auf die Zeit nach Ablauf der Karenzzeit.
Rz. 404b
Experten für die kommunalen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gehen davon aus, dass die Neuregelung zu höheren Aufwendungen für die kommunalen Träger führen wird. Dies dürfte daraus resultieren, dass sich die Gesamtangemessenheitsgrenze von vornherein aus der Summe der höchsten angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und der höchsten angemessenen Aufwendungen für die Heizung zusammensetzen wird. Höhere Aufwendungen für die kommunalen Träger ergeben sich dann durch eine verstärkte Ausschöpfung der finanziellen Möglichkeiten durch die Leistungsberechtigten. Umgekehrt wird der kommunale Träger bzw. werden die Jobcenter von Verwaltungsarbeit entlastet, weil tendenziell weniger Kostensenkungsverfahren durchzuführen sind. Jedenfalls darf nicht in einer nennenswerten Anzahl von Fällen die Schwierigkeit auftreten, dass der Bedarf nicht gedeckt wird. Außerdem wird eine Härtefallklausel dafür herhalten müssen, mit solchen Fällen umzugehen.
Rz. 404c
In der Praxis wird immer wieder von den Schwierigkeiten berichtet, die abstrakte Angemessenheit von Heizkosten zu bestimmen. Diese Kritik ist auch durch Abs. 10 Satz 2 nicht beseitigt worden. Der Umstand, dass bei den Aufwendungen für die Heizung der Wert berücksichtigt werden darf, der bei gesonderter Beurteilung der Aufwendungen für die Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre, läuft praktisch auf Übernahme des Wertes aus dem kommunalen oder bundesweiten Mietspiegel hinaus. Diese geben aber nicht das tatsächliche Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt wieder. Daher könnte diese Regelung zu Konflikten mit der Sozialgerichtsbarkeit führen, weil dort bisher davon ausgegangen worden ist, dass die Heizspiegelwerte nicht als solche für einen Höchstwert der abstrakten Angemessenheit von Heizkosten zu verstehen sind. Für die Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten wurde nicht wie für die Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ein schlüssiges Konzept entwickelt. Knickrehm (SGb 2017, 241) weist zutreffend auf die Rechtsprechung des BSG zur Bruttowarmvergleichsmiete mit Bedenken in Bezug auf eine realitätsgerechte Bestimmung aus 2009 und 2013 hin (BSG, Urteile v. 2.7.2009, B 14 AS 36/08 R, und v. 12.6.2013, B 14 AS 60/12 R; vgl. auch BSG, Urteil v. 4.6.2014, B 14 AS 53/13 R). Ein abstrakt angemessener Heizkostenpreis muss demnach auch die klimatischen Bedingungen, die wechselnden Energiepreise, die "typischen" Energieträger, vor allem aber den im entsprechenden Mietpreissegment "typischen" Gebäudestandard und den technischen Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage erfassen. Das BSG habe aber in noch keinem Verfahren so ausdifferenzierte Daten vorgefunden, die einen Rückschluss auf einen abstrakt angemessenen, für alle Wohnungen im Vergleichsraum geltenden Heizkostenwert in der geforderten Qualität ermöglichten. Weniger ausdifferenzierte Werte wären aber als Schätzung ins Blaue hinein ohne gesicherte empirische Grundlage anzusehen und deshalb bei der Bestimmung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht zulässig. Aus Gründen der Rechtsvereinfachung können die Grenzen kommunaler Heizspiegel oder des bundesweiten Heizspiegels ausgeschöpft und die Aufwendungen im Grenzbereich als noch angemessen angesehen werden. Abs. 10 Satz 3 bildet für die Gesamtangemessenheitsgrenze die Regelungen in Abs. 1 über erhöhte Aufwendungen nach einem nicht erforderlichen Umzug, über befristete unangemessene Aufwendungen und letztlich über unwirtschaftliche Kostensenkungsverfahren nach. Damit wird es insbesondere dem Leistungsberechtigten ermöglicht, im Einzelfall dem Jobcenter die Angemessenheit seiner Aufwendungen darzulegen. Für eine korrekte Bezugnahme auf die Vorschriften des Abs. 1 einschließlich des zum 1....