Rz. 89
Bei Mietverhältnissen ist dem Unterkunftsbedarf regelmäßig der Mietzins zugrunde zu legen, der der Zahlungsverpflichtung des Leistungsberechtigten entspricht. Als solcher gelten auch andere Aufwendungen, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird wie mit einer Mietzinszahlung, etwa Nutzungsentschädigungen oder Genossenschaftsbeiträge. Die Aufwendungen können aus dem Mietvertrag und anderen geeigneten Dokumenten (Zahlungsbelege u. a.) entnommen werden. Anhand der vertraglichen Verpflichtungen und der rechtlichen Bestimmungen ist jeweils zu beurteilen, ob bestimmte Bestandteile des Mietzinses dem Unterkunftsbedarf zuzurechnen sind oder nicht.
Rz. 89a
Ist mit dem vom Antragsteller vorgelegten Mietvertrag tatsächlich eine rechtlich bindende Zahlungspflicht eines Mieters nicht beabsichtigt, sondern wurde ein schriftlicher Mietvertrag beweisbar allein deshalb verfasst, um den Grundsicherungsträger zur Bewilligung höherer Leistungen für die Unterkunft zu veranlassen, ohne damit eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung begründen zu wollen, so sind vom Grundsicherungsträger Leistungen für die Unterkunft nicht zu erbringen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 20.9.2017, L 4 AS 138/12). Miteigentümer des Hauses hatten nach dem Tod der Mutter des "Mieters" nach Möglichkeiten gesucht, die Ertragslage des Anwesens zu verbessern, um notwendige Instandhaltungsarbeiten zu finanzieren.
Rz. 89b
Beruht die Unterbringung einer obdachlosen Person in einem Wohnheim auf einer behördlichen Zuweisungsverfügung, so besitzt diese nur Übergangscharakter bis zur Pflichterfüllung der betroffenen Person zur Beseitigung der Obdachlosigkeit. Bis dahin entstehen keine Unterkunftskosten, die nach Abs. 1 zu erbringen wären.
Rz. 89c
Die Vereinbarung einer geringfügigen Gefälligkeitsmiete steht der Übernahme geltend gemachter Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger nicht entgegen, wenn sich ein Bindungswille von Vermieter und Mieter bezüglich des Mietverhältnisses feststellen lässt. Dies gilt erst recht, wenn das regelmäßige Überweisen der Mietzahlungen nachgewiesen ist. Liegt die vereinbarte Miete deutlich unter dem Preis auf dem allgemeinen Markt, so ändert dies nichts an der Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers, wenn der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags keine Gewinnerzielungsabsicht hat. Geht es ihm erkennbar in erster Linie darum, dass sein Haus während langfristiger Montagetätigkeiten im Ausland nicht leersteht, so ist der vereinbarte niedere Mietzins nachvollziehbar (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 20.9.2017, L 4 AS 236/17).
Rz. 89d
Die Nutzungsentschädigung, die der Leistungsberechtigte an seine frühere Ehefrau wegen der Nutzung des gemeinsamen Hauses zu zahlen hat, kann als Kosten der Unterkunft anerkannt werden, wenn aufgrund des Inhaltes der entsprechenden Vereinbarung vor dem Hintergrund der §§ 1361b Abs. 3 Satz 2 und 743 ff. BGB beurteilt werden kann, welche Verpflichtungen mit der Nutzungsentschädigung ausgeglichen werden sollen (BSG, Urteil v. 19.8.2015, B 14 AS 13/14 R). Auch durch eine Nutzungsentschädigung kann der mit Abs. 1 verfolgte Zweck des Schutzes der Wohnung zur Erfüllung des Grundbedürfnisses des Wohnens und als eines räumlichen Lebensmittelpunktes erfüllt werden. Jedoch können auch andere Gesichtspunkte unterhaltsrechtlicher Art oder Billigkeit eine andere Betrachtung rechtfertigen. Entscheidend sind demnach Rechtsgrund und Ausgestaltung der Nutzungsentschädigung. Bei einer auf § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB gestützten Nutzungsentschädigung, die mehr als nur die Überlassung von Wohnraum ausgleichen soll, ist der geschuldete Betrag ggf. überhaupt nicht oder nur teilweise im Rahmen des Abs. 1 zu übernehmen.
Die Anerkennung einer auf § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB gestützten, vom Grundsicherungsträger zu übernehmenden Nutzungsentschädigung setzt voraus, dass der Grundsicherungsberechtigte einem ernstlichen Zahlungsverlangen seines geschiedenen Ehegatten ausgesetzt ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 30.9.2020, L 18 AS 2032/18). Denn bei den vom Grundsicherungsträger anzuerkennenden Kosten für Unterkunft und Heizung sind diejenigen Kosten zu berücksichtigen, die dem Grundbedürfnis des Wohnens und der Aufrechterhaltung eines räumlichen Mittelpunkts dienen. Sind mit den Kosten weitere Zwecke verbunden, wie z. B. die Auseinandersetzung von Eheleuten im Scheidungsverfahren, so kommt eine Berücksichtigung nicht in Betracht.
Rz. 89e
Erbringen Leistungsberechtigte die von ihnen mietvertraglich geschuldeten Zahlungen für die Unterkunft nicht in voller Höhe an ihren Vermieter, so beschränkt sich der Anspruch nach Abs. 1 auf die tatsächlichen Zahlungen, wenn Nachforderungen des Vermieters wegen Verjährung oder des Ablaufs der Frist für die Abrechnung von Betriebskostenvorauszahlungen nicht mehr möglich sind (LSG Hessen, Urteil v. 10.3.2021, L 6 AS 439/18).
Rz. 90
Die Kosten einer Einzugsrenovierung können zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft gehören, wenn die Einzugsrenovierung ortsüblich und zur Herstellung de...