Rz. 178
Die Angemessenheit von Wohnkosten beginnt mit der Feststellung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße in Quadratmetern, wobei die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu legen ist (Wohnungsgrößen nach § 10 WoFG, vgl. BSG, Urteil v. 16.5.2012, B 4 AS 109/11 R), die durch Richtlinien der Bundesländer konkret festgelegt wird (z. B. für 5 Haushaltsmitglieder in Niedersachsen 95 m2, für Ein-Personen-Haushalte meist ca. 45 bis 50 m2). Das bedeutet, dass sich die angemessene Wohnungsgröße nicht nach der im Vergleichsraum üblichen Wohnungsgröße richtet. Der Vergleichsmaßstab richtet sich aber an den räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Leistungsberechtigten aus. Aus dem Abstellen auf Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau folgt eine fehlende Übereinstimmung mit den Zwecken des sozialen Wohnungsbaus, die in Kauf genommen wird. Zumindest steht nicht fest, dass eine Übereinstimmung der jeweils verfolgten Zwecke erreicht wird (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 16.5.2011, L 19 AS 2202/10). Dabei hat das LSG auf die Rechtsprechung des BVerwG hingewiesen, wonach die Frage nach der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche nach den Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau beantwortet werden könne, dabei sei an die Verwaltungsvorschriften der Länder zu § 5 Abs. 2 WoBindG anzuknüpfen. Sind Ausführungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht vorhanden, muss auf andere Wohnungsbauförderungsbestimmungen zurückgegriffen werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 3.3.2011, L 5 AS 181/07). Die angemessene Wohnungsgröße orientiert sich auch bei Bewohnern einer Familie nicht nach der Anzahl der Haushaltsmitglieder, sondern an der Größe der Bedarfsgemeinschaft; die Höhe der zu übernehmenden tatsächlichen Kosten der Unterkunft richtet sich dagegen im Regelfall kopfanteilig nach der Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen, auch wenn sie nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft sind (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.2.2018, L 7 AS 2042/15, unter Hinweis auf die Urteile des BSG v. 18.6.2008, B 14/11b AS 61/06 R, v. 18.2.2010, B 14 AS 73/08 R, sowie v. 22.8.2013, B 14 AS 85/12 R). Die angemessenen Kosten der Unterkunft dürfen also nicht für alle Haushaltsmitglieder errechnet und anschließend auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt werden.
Beispiele aus der Rechtsprechung für Wohnflächengrenzen i. S. v. Abs. 1 Satz 1:
- 45 m2 Wohnfläche bei einem Einpersonenhaushalt in Baden-Württemberg (BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R), 50 m2 in Nordrhein-Westfalen (SG Detmold, Urteil v. 7.9.2016, S 9 AS 348/15), für jede weitere Person sind demnach in Nordrhein-Westfalen 15 m2 hinzuzurechnen.
- 60 m2 Wohnfläche für einen Zweipersonenhaushalt in Rheinland-Pfalz (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 19.3.2014, L 4 AS 615/12).
- 75 m2 Wohnfläche für einen Dreipersonenhaushalt im Landkreis Göttingen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 29.4.2014, L 7 AS 330/13).
- Bis zu 80 m2 Wohnfläche für 3 Personen und bis zu 90 m2 Wohnfläche für 4 Personen in Berlin (LSG Berlin-Brandenburg, Urteile v. 15.3.2018, L 34 AS 724/15, und v. 20.3.2014, L 25 AS 2038/10), 95 m2 in Nordrhein-Westfalen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 24.11.2016, L 7 AS 723/16).
2019 betrugen die angemessenen Wohnungsgrößen in Großstädten in Deutschland für 1 Person meist 45 oder 50 m2, für 2 Personen 60 oder 65 m2. Keine Festlegungen gibt es z. B. in Dortmund und Essen.
Rz. 178a
Maßstab für die abstrakt angemessene Wohnungsgröße ist allein die Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Pflegekinder sollen nicht dazu gehören, erst recht nicht, wenn diese ihren Lebensmittelpunkt im Heim haben und sich lediglich an 3 Tagen je Woche im Haushalt der Pflegeeltern aufhalten (LSG Thüringen, Urteil v. 8.1.2020, L 4 AS 1246/16). Auch Säuglinge und Kleinkinder zählen bei der Zahl der Haushaltsmitglieder mit (SG Chemnitz, Urteil v. 24.6.2021, S 10 AS 2477/18). Die Flächenwerte sind allerdings Höchstwerte. Eine lediglich geringfügige Unterscheidung indiziert keine Wohnungsunterversorgung.
Rz. 179
Ob die Größe einer Wohnung angemessen ist, richtet sich nach den Realisierungschancen auf dem freien Wohnungsmarkt, eine nach Größe und Ausstattung vernünftigerweise anzustrebende Wohnung mit hinreichender Sicherheit innerhalb angemessener Zeit zu einem an der Angemessenheitsgrenze liegenden Mietzins zu erlangen. Das wäre zugleich eine Voraussetzung für eine Pauschalierung der Leistungen für Unterkunft und Heizung. In Anlehnung an die Regelungen zum sozialen Wohnungsbau (vgl. BSG, Urteile v. 22.9.2009, B 4 AS 70/08 R, und v. 26.5.2011, B 14 AS 86/09 R) ist eine Wohnung nach der Zahl der Zimmer grundsätzlich angemessen, wenn sie ohne Küche/Bad sowie ggf. sonstige Nebenräume (z. B. Speicher, Abstellraum) und Flur je Haushaltsmitglied ein Zimmer nicht übersteigt. Bei Alleinstehenden kommen auch 2 Zimmer in Betracht. Gehören Kleinkinder zum Haushalt, können Zimmerabschläge angebracht sein. Der Beurteilung ...