Rz. 265
Abs. 1 Satz 7 erlaubt Leistungen für Unterkunft und Heizung für einen befristeten Zeitraum auch in unangemessener Höhe, solange keine oder keine zumutbare Möglichkeit besteht, die Aufwendungen auf ein angemessenes Maß zu senken.
Durch Einfügung neuer Sätze 2 bis 5 in Abs. 1 durch das 12. SGB II-ÄndG mit Wirkung zum 1.1.2023 ist der frühere Abs. 1 Satz 3 seither zu Abs. 1 Satz 7 geworden. Die Regelung ist unmittelbar von der Wirkung der zum 1.1.2023 eingeführten Karenzzeit betroffen. Nach Abs. 1 Satz 2 gilt für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt. Während die Regelung des Abs. 1 Satz 6 davon unberührt bleibt, wie das Gesetz in Abs. 1 Satz 5 ausdrücklich vorschreibt, bestimmt Abs. 1 Satz 8, dass nach Ablauf der Karenzzeit Abs. 1 Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Abs. 1 Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Das bedeutet, dass Abs. 1 Satz 7 vollständig erst nach Ablauf der Karenzzeit greifen kann. Bereits frühzeitig oder vorzeitig durch das Jobcenter eingeleitete Kostensenkungsverfahren führen nicht dazu, dass die nach den Besonderheiten des Einzelfalles den angemessenen Umfang übersteigenden Aufwendungen als Bedarf nicht so lange anzuerkennen sind, wie es dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken. Auch die in Abs. 1 Satz 7 benannte Frist von i. d. R. längstens 6 Monaten darf nicht wegen der Karenzzeit verkürzt werden.
Diese Beschränkung gilt allerdings nicht für unangemessene Kosten für Heizung, denn diese werden auch innerhalb der Karenzzeit nicht geschützt. Bei unangemessenen Heizkosten darf das Jobcenter nach Abs. 1 Satz 7 auch während der Karenzzeit vorgehen. Dies wird durch das Gesetz zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze seit dem 1.1.2024 klargestellt. Unangemessene Aufwendungen für Heizung innerhalb der Karenzzeit können nur nach Maßgabe des Abs. 1 Satz 7 anerkannt werden. Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich um eine redaktionelle Klarstellung. Mit dem Bürgergeld-Gesetz wurde zum 1.1.2023 eine Karenzzeit für die Anerkennung der Aufwendungen für die Unterkunft eingeführt. Diese Karenzzeit gilt nicht für die Aufwendungen für Heizung. Dieser Umstand wurde aufgrund eines redaktionellen Versehens in § 22 Abs. 1 Satz 7 nicht nachvollzogen. Der Wortlaut des Abs. 1 Satz 7 ist damit eindeutig. Soweit die Aufwendungen für Heizung und, nach Ablauf der Karenzzeit, die Aufwendungen der Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate.
Die Regelung betont nochmals die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und gibt damit für die Beurteilung der Angemessenheit nach Satz 1 den Hinweis, nicht zu kleinlich zu verfahren. Insbesondere können persönliche Umstände eines Leistungsberechtigten die Obliegenheit zur Senkung der Kosten für die Unterkunft (nach Ablauf der Karenzzeit) senken. Ein Abweichen von der 6-Monats-Frist des Abs. 1 Satz 7 zur Kostensenkung kommt vor allen Dingen in Betracht, wenn die Kostenunangemessenheit einer Unterkunft (nach Ablauf der Karenzzeit) auf durch geändertes Verbrauchsverhalten beeinflussbaren Faktoren beruht. Fehlen Kostensenkungsbemühungen nahezu vollständig, besteht kein Anspruch auf Anerkennung von unangemessenen Kosten über 6 Monate hinaus (Bay. LSG, Urteil v. 7.11.2019, L 16 AS 858/16). Ist eine vom Vermieter oder Energieversorger bestimmte Höhe der Abschlagszahlungen an das Ergebnis jährlicher Abrechnungen gekoppelt, können über ein geändertes Verbrauchsverhalten erfolgreich durchgeführte Kostensenkungen erst nach Ablauf der Abrechnungsperiode und erfolgter Abrechnung wirksam werden. Dieser Umstand kann die Frist zur Entstehung einer Kostensenkungsobliegenheit verlängern (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 21.2.2018, L 4 AS 509/14). Abs. 1 Satz 7 ist nicht anwendbar, wenn der Berechtigte im Leistungsbezug bei Anmietung Kenntnis von der Unangemessenheit hatte oder sich ihm dies aufdrängen musste (LSG Hessen, Urteil v. 10.5.2019, L 9 AS 368/16).
Abs. 1 Satz 7 definiert die konkrete Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung i. S. einer Kostensenkungsobliegenheit, im Falle der Möglichkeit und Zumutbarkeit sogar das eigene soziale Umfeld durch Umzug innerhalb des Vergleichsraumes zu verlassen (vgl. BSG, Urteil v. 22...