Rz. 11
Abs. 1 Satz 1 regelt weiterhin ausdrücklich den Beginn der Rechtsfolgen wegen einer Pflichtverletzung nach § 31, die in § 31a geregelt ist. Die Vorschrift bestimmt in Abs. 2 dagegen allein die gestaffelte Dauer der Leistungsminderung in Monaten. Die Vorschrift gilt nicht für Meldeversäumnisse nach § 32, dort wird die Dauer der Leistungsminderung in Abs. 2 Satz 2 eigenständig geregelt. Die Vorschrift betrifft alle Leistungsminderungen, gleich ob sie sich auf erste oder wiederholte Pflichtverletzungen beziehen. Eine Unterscheidung nach dem Alter wird seit der Neuregelung der Leistungsminderungsvorschriften ab 1.1.2023 nicht mehr getroffen. Die Rechtsfolgen treten dem Grunde nach anders als nach früherem Recht nicht mehr für 3 Monate ein. Abs. 2 Satz 1 bestimmt vielmehr für Leistungsminderungen im Umfang von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs eine Dauer von einem Monat, für Leistungsminderungen im Umfang von 20 % des maßgebenden Regelbedarfs eine Dauer von 2 Monaten und für Leistungsminderungen im Umfang von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs eine Dauer von 3 Monaten. Die längste Dauer gilt auch für alle weiteren Leistungsminderungen aufgrund weiterer Pflichtverletzungen. Das galt bis zur Entscheidung des BVerfG auch dann, wenn im Falle des § 31 Abs. 2 Nr. 3 die Dauer der Sperrzeit nach § 159 SGB III kürzer war oder im Fall des Abs. 2 Nr. 4 kürzer gewesen wäre. Dabei ist es auch mit Ausnahme der Rechtsfolgen bei Meldeversäumnissen nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 geblieben (vgl. § 31a Abs. 1 Satz 7, § 32 Abs. 2). Insofern ist das Leistungsminderungsrecht ein Spezialrecht innerhalb des SGB, das auf die Grundsicherung zugeschnitten ist. Von geringerer Bedeutung ist dagegen der Umstand, dass Leistungen zum Lebensunterhalt aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende gerade deshalb beantragt werden (müssen), um das wegen des Eintritts der Sperrzeit fehlende Alg nach dem SGB III auszugleichen. Die Rechtsfolgen der Leistungsminderung treten kraft Gesetzes ein, die Wirkung wird jedoch erst durch den Minderungsbescheid entfaltet (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v.2.8.2011, L 3 AS 130/11 B ER, im Anschluss an BSG, Urteile v. 17.12.2009 und 9.11.2010, B 4 AS 20/09 R und 27/10 R). Umstritten ist in der Literatur teilweise noch, ob es einer gesonderten Aufhebungsentscheidung bedarf oder eine Absenkung unmittelbar durch den Leistungsminderungsbescheid wirksam herbeigeführt werden kann.
Rz. 11a
Nachdem weiterhin mit einem entsprechenden genauen Wortlaut gilt, dass sich der Auszahlungsanspruch mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang sowie die Dauer der Minderung der Leistung feststellt, berührt das die Geltung bereits erlassener Leistungsbewilligungen nicht unmittelbar. Wie zuvor ist damit vielmehr nur zum Ausdruck gebracht worden, ab welchem Zeitpunkt und um welchen Minderungsbetrag der Anspruch auf Leistungen z. B. bei Meldeversäumnissen abgesenkt wird. Nicht bestimmt wird dadurch aber, dass es zur Umsetzung der Leistungsminderung abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X einer förmlichen Änderung bereits ergangener Bewilligungen nicht bedarf (BSG, Urteil v. 29.4.2015, B 14 AS 19/14 R). Daran ändert demnach nichts, dass durch die Regelung nach den Gesetzesmaterialien nur klargestellt werden soll, dass sich der Auszahlungsanspruch der Betroffenen bei pflichtwidrigem Verhalten kraft Gesetzes mindert (so BT-Drs. 17/3404). Soweit dadurch zum Ausdruck gebracht sein sollte, dass die Durchbrechung der Bindungswirkung bereits ergangener Bewilligungen ausnahmsweise nicht eine förmliche Änderungsentscheidung nach § 48 SGB X erfordert, sondern unmittelbar durch Gesetz angeordnet ist, findet das dem BSG zufolge im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze. Mindert sich kraft Gesetzes der "Auszahlungsanspruch" einer zuerkannten Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt, so bedeutet das nicht, dass die zugrunde liegende Bewilligung selbst abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ohne ausdrückliche (Teil-)Aufhebung partiell ihre Regelungswirkung verlieren könnte. Solche Wirkungen könnten demnach nur einer Vorschrift beigemessen werden, die die Geltung von § 48 SGB X, ungeachtet des erheblichen Interesses insbesondere leistungsberechtigter Personen, "einfach" erkennen zu können, in welcher Höhe (noch) Ansprüche nach dem SGB II zuerkannt sind, ausdrücklich ausschließt und die Absenkung zuerkannter Ansprüche nach dem SGB II einem abweichenden Sonderregime unterstellt, woran es aber für diese Fälle fehlt.
Hat das Jobcenter in unzutreffender Einschätzung dieser Rechtslage oder aus anderem Grund von einer formellen Umsetzung der Feststellungsbescheide über die Minderung abgesehen, kann sich der Leistungsberechtigte ohne Verstoß gegen die Rechtsprechung des BSG hiergegen mit der isolierten Anfechtungsklage wenden. Dies folgt aus dem Wortlaut und der darin deutlich werdenden Regelungskonzeption des SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung, nach dessen § 31b Abs. 1 Satz 1 ...