Rz. 31
§ 32 kennt nur eine Stufe für eine Leistungsminderung. Ist der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Satz 1 erfüllt, wird das Bürgergeld für die Dauer von grundsätzlich 1 Monat um 10 % des maßgebenden Regelbedarfs gemindert. Bei einem Eckregelsatz von 502,00 EUR mtl. für einen Alleinstehenden in Regelbedarfsstufe 1 beläuft sich die Minderung auf 50,20 EUR mtl. (2023). Damit wird einer Unverhältnismäßigkeit der Leistungsminderung wegen eines Meldeversäumnisses entgegengewirkt. Die Minderung betrifft den Kalendermonat nach Wirksamwerden des Minderungsbescheides. Die Leistungsminderung muss innerhalb von 6 Monaten seit dem Meldeversäumnis festgestellt werden (§ 31b Abs. 1 Satz 3). Während des Sanktionsmoratoriums bis zum 31.12.2022 galt § 84 Abs. 2 und 3. Danach war zunächst das erste Meldeversäumnis ohne wichtigen Grund, für das an sich die Voraussetzungen für den Eintritt einer Leistungsminderung vorlagen, nicht von Rechtsfolgen bedroht. Bedroht waren nur wiederholte Meldeversäumnisse ohne wichtigen Grund. Ein wiederholtes Meldeversäumnis, das Rechtsfolgen nach § 32 i. V. m. § 84 Abs. 2 und 3 sowie § 31a nach sich ziehen konnte, war zu bejahen, wenn es innerhalb eines Jahres nach dem vorausgegangenen Meldeversäumnis begangen wurde. Dabei war zu beachten, dass das vorausgegangene Meldeversäumnis ein solches war, für das die Voraussetzungen für den Eintritt einer Leistungsminderung an sich vorlagen.
Rz. 31a
Die Entscheidung erlaubt dem Jobcenter keinen Entscheidungsspielraum, dieses hat eine gebundene Entscheidung zu treffen, nach der sich das Bürgergeld mindert.
Es ist nicht zulässig, neben dem Vorliegen eines wichtigen Grundes eine im Gesetz nicht vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellen, weil der Meldetermin irrtümlich übersehen wurde (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 18.12.2013, L 13 AS 161/12). Diese Rechtsauffassung dürfte seit dem 1.7.2023 überholt sein, soweit das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte betroffen ist (so auch schon während der Übergangszeit v. 5.11.2019 an). Ein Minderungsbescheid ist insgesamt rechtswidrig, wenn er mit einer Nebenbestimmung versehen wird, etwa in Bezug auf eine noch erforderliche Antragstellung, damit Leistungen für den Minderungszeitraum überhaupt bewilligt werden und folglich wegen der Leistungsminderung dann auch wieder gekürzt werden können. § 32 sieht wie §§ 31 ff. die Möglichkeit einer Nebenbestimmung nicht vor. Eine Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt ist aber nur dann rechtmäßig, wenn auf den Verwaltungsakt ein Anspruch besteht (was beim Minderungsbescheid nicht der Fall ist), die Nebenbestimmung durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Eine Leistungsminderung tritt aber kraft Gesetzes ein, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Gleichwohl ist eine vorliegende Bewilligungsentscheidung insoweit aufzuheben. Wird für den Minderungszeitraum eine Leistung nicht beantragt, geht die Leistungsminderung insoweit ins Leere (vgl. LSG Bayern, Urteil v. 26.2.2015, L 11 AS 612/13). Rechtsdogmatisch handelt es sich dem BSG zufolge bei einer Leistungsminderung um eine abgesenkte Form der Leistungsgewährung, nicht um einen Eingriff. Eine andere Auslegung würde demnach eine dem Gesetzgeber vorzubehaltende Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Richtung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen bedeuten. Dann aber darf der Gesetzgeber negative Konsequenzen an die fehlende Bereitschaft zu Gesprächen über die Möglichkeiten zur Überwindung der Erwerbslosigkeit knüpfen, solange sichergestellt ist, dass den Betroffenen auch in dieser Lage die unerlässlichen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung gestellt werden. Das Gesetz hat wie schon zuvor das BVerfG für die Leistungsminderungen nach § 31a festgelegt, dass im Falle der Nachholung der Mitwirkung oder der Bereitschaft, zukünftig die Mitwirkungspflichten zu erfüllen, die Leistungsminderung von dem Zeitpunkt an, frühestens aber nach 1 Monat Leistungsminderung diese aufzuheben ist. Das trifft auf Leistungsminderungen nach § 32 nicht zu, weil diese ohnehin nur einen Zeitraum von starr 1 Monat umfassen.
Rz. 32
In der Praxis ist es üblich und sinnvoll, den Leistungsberechtigten noch am Tag eines Meldeversäumnisses erneut zur persönlichen Meldung einzuladen. Zu diesem Zeitpunkt ist häufig noch nicht bekannt, aus welchem Grund der Leistungsberechtigte nicht zur Meldung erschienen ist; die Frage des wichtigen Grundes ist ungeklärt. Versäumt der Meldepflichtige eine 2. Meldung aus demselben Grund wie bei der 1. Meldung und wird der Grund nicht als wichtiger Grund anerkannt, kann die Rechtsfolge nach § 32, bezogen auf das 2. Versäumnis, auch eintreten, wenn dem Leistungsberechtigten zuvor nicht bekannt gegeben worden ist, dass seine Gründe nicht als wichtige Gründe i. S. d. § 32 Abs. 1 anerkannt werden. Insbesondere muss vor einem weiteren Meldeversäumnis kein erster oder vorheriger Minderungsbesch...