Rz. 12

Bei Personen ohne festen Wohnsitz bzw. ohne gewöhnlichen Aufenthalt, also z. B. bei nichtsesshaften Menschen, kann die örtliche Zuständigkeit nach § 36 mangels eines gewöhnlichen Aufenthalts kaum festgestellt werden (kritisch auch Paulenz/Schoch, in: Münder/Geiger, SGB II, § 36 Rz. 10). Dagegen ist für die Sozialhilfe nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Vor diesem Hintergrund regte z. B. der Deutsche Verein für öffentliche Fürsorge an, § 36 SGB II wie folgt zu ergänzen: "Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nach Satz 1 nicht feststellbar, ist der Träger zuständig, in dessen Bereich sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige tatsächlich aufhält" (NVD 2003 S. 503). Dieser Anregung ist der Gesetzgeber mit dem SGB II-Fortentwicklungsgesetz gefolgt und hat durch den neuen Satz 4 (bis zum 31.12.2010 Satz 3) in Fällen, in denen ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar ist, den Träger der Grundsicherung für örtlich zuständig erklärt, in dessen Bereich sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige tatsächlich aufhält. Mit Satz 4 wurde insofern eine Regelungslücke geschlossen, um zu vermeiden, dass Menschen allein aufgrund ihrer atypischen Lebensverhältnisse von einer Förderung ausgeschlossen werden.

 

Rz. 13

Unter dem Begriff "tatsächlicher Aufenthalt" ist der Ort der physischen Anwesenheit des Leistungsberechtigten zu verstehen, ohne dass es auf eine längere Verweildauer ankommt (Böttiger, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 36 Rz. 46; König, in: BeckOK, SGB II, § 36 Rz. 7). Anders als nach § 327 Abs. 2 SGB III ist ein Zuständigkeitswechsel ohne Änderung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts nicht möglich. Ebenso unzulässig sind Vereinbarungen zur Abänderung von Zuständigkeiten. Werden sie dennoch getroffen, sind sie rechtlich unbeachtlich. Besteht Streit zwischen verschiedenen Grundleistungsträgern hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit, ist § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I zu beachten. Danach ist derjenige Grundleistungsträger zur Leistung verpflichtet, bei dem der Antrag des Leistungsberechtigten zuerst eingegangen ist.

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