Rz. 12
Leistungsberechtigte sind nach § 12a Satz 1 verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Hierzu kann sie der Grundleistungsträger auffordern. Nach Nr. 2 haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung, mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird. Eine solche Aufforderung an den Leistungsberechtigten erfolgt durch Verwaltungsakt (BSG, Urteil v. 29.8.2015, B 14 AS 1/15 R; König, in: BeckOK, SGB II, § 39 Rz. 7; Löcken, in: Luik/Harich, SGB II, § 39 Rz. 26; Herbe, in: Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, SGB II, § 39 Rz. 9). Hintergrund dieser Regelung ist die zentrale Verpflichtung des Hilfebedürftigen, seine Hilfebedürftigkeit auch durch die Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen zu verringern oder zu beenden. Dies kann nur erreicht werden, wenn der zuständige Leistungsträger bei Weigerung des Hilfebedürftigen die dafür erforderlichen Anträge stellen kann. Damit Hilfebedürftige nicht endgültig durch die Einlegung von Rechtsmitteln für die Dauer des Verwaltungs- und Klageverfahrens die Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen vereiteln, haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Nr. 2 findet auch dann Anwendung, wenn der Grundsicherungsträger zur Beantragung einer anderen Sozialleistung auffordert, auch wenn diese nicht tatsächlich vorrangig zu gewähren ist (Löcken, in: Luik/Harich, SGB II, § 39 Rz. 26 m. w. N.).
Rz. 13
Beispiel für eine Aufforderung nach Nr. 2 ist die Beantragung einer Altersrente. Die Aufforderung des Grundsicherungsträgers an den Hilfebedürftigen, vorzeitig eine geminderte Altersrente in Anspruch zu nehmen, ist ermessenfehlerfrei, wenn Unbilligkeitsgründe nicht vorliegen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 28.4.2015, L 4 AS 63/15 B ER). Nach § 12a Satz 2 Nr. 1 ist der Leistungsberechtigte nicht verpflichtet bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Nach dem 63. Lebensjahr muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn dies eine Unbilligkeit nach § 13 Abs. 2 in Verbindung mit der Unbilligkeitsverordnung (Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente) darstellt. Unbillig ist die Inanspruchnahme z. B. dann, wenn Hilfebedürftige in nächster Zukunft (Zeitraum von längstens 3 Monaten) die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen könnte, § 3 der Unbilligkeitsverordnung. Die Gründe, die zur Unbilligkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente führen, sind abschließend in der Unbilligkeitsverordnung aufgeführt (ebenso: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 27.4.2015, L 5 AS 42/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 4.12.2014, L 7 AS 1775/14; offen gelassen: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 13.10.2014, L 4 AS 448/14 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.5.2013, L 19 AS 291/13 B ER).