0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift trat mit Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) am 1.1.2005 (Art. 61 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft.

 

Rz. 2

Während die Vorschrift zuerst dem Wortlaut des § 312 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III nachgebildet war (vgl. BT-Drs. 15/1516 S. 21 Art. 1 und Begründung S. 66 Art. 1 zu § 57), entstammt der jetzige Wortlaut der Ausschussberatung des Deutschen Bundestages v. 15.10.2003 (vgl. BT-Drs. 15/1728 S. 195 Art. 1). Die Änderung betont die Auskunftspflicht des Arbeitgebers, nicht die Bescheinigungspflicht. Die Benutzung eines amtlichen Vordruckes steht nun – im Gegensatz zur Fassung des Gesetzentwurfes (vgl. BT-Drs. 15/1516 S. 21 Art. 1 und Begründung S. 66 Art. 1 zu § 57) – im Ermessen der Agentur für Arbeit. Der Inhalt der Auskunftspflicht wurde flexibler gestaltet.

1 Allgemeines

 

Rz. 2a

Der Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber soll dem Leistungsträger ermöglichen, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zu prüfen und zu ermöglichen (BSG, Urteil v. 12.12.1990, 11 RAr 43/88). Er dient der Beweissicherung (§ 40 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X) und der Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1). § 57 dient insofern der Verwirklichung des Untersuchungsgrundsatzes nach § 20 SGB X (BSG, Urteil v. 4.6.2014, B 14 AS 38/13 R).

§ 57 verdrängt die allgemeine Auskunftspflicht der Arbeitgeber nach § 98 SGB X (zur Rechtslage nach dem AFG: BSG, Urteil v. 16.8.1989, 7 RAr 82/88). Weitere, sich teilweise im Anwendungsbereich überschneidende Auskunftspflichten für Arbeitgeber ergeben sich aus § 58 Abs. 1 und § 60 Abs. 3. Die Auskunftspflicht des Arbeitgebers ist eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung (Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 57 Rz. 5).

 

Rz. 3

Die Vorschrift verpflichtet den Arbeitgeber, auf ausdrückliches Verlangen der Agentur für Arbeit Auskünfte zu erteilen, die für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erheblich sein können. Die Norm ergänzt § 312 SGB III (ebenso Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 57 Rz. 2; Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 57 Rz. 4).

2 Rechtspraxis

2.1 Anspruchsberechtigte

 

Rz. 3a

Der Gesetzeswortlaut nennt nur die Agentur für Arbeit als Anspruchsberechtigte. Für zugelassene kommunale Träger ergibt sich deren Berechtigung, an Stelle der Agenturen für Arbeit das Auskunftsverlangen geltend zu machen, aus § 6b Abs. 1 Satz 2. Über den Wortlaut hinaus, ist eine erweiternde Auslegung geboten. Nach seinem Sinn und Zweck berechtigt § 57 (vgl. oben Rz. 3) den jeweils zuständigen Träger (Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 57 Rz. 7). § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nennt auch die kommunalen Träger für die dort genannten Aufgaben (OLG Koblenz, Beschluss v. 29.10.2018, 2 Owi 6 SsBs 108/18). Nimmt die gemeinsame Einrichtung die Aufgaben der Agentur für Arbeit und durch Übertragung auch diejenigen des kommunalen Trägers wahr, ist die gemeinsame Einrichtung nach § 44b Abs. 3 Satz 1 Berechtigter i. S. d. § 57 (BSG, Urteil v. 4.6.2014, B 14 AS 38/13 R; OLG Koblenz, Beschluss v. 29.10.2018, 2 Owi 6 SsBs 108/18; Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 57 Rz. 7; Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 57 Rz. 7).

2.2 Verlangen des Trägers der Grundsicherung

 

Rz. 4

Die Verpflichtung des Arbeitgebers wird nur auf Verlangen des Trägers der Grundsicherung ausgelöst. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 15/1516, Begründung S. 66 Art. 1 zu § 57) berücksichtigt die Vorschrift, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses üblicherweise eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III ausgestellt wird. Diese enthält auch die für die Leistungen nach dem SGB II erforderlichen Angaben. Dem Arbeitgeber kann nicht zugemutet werden zu prüfen, ob der Arbeitnehmer nach dem Ende der Beschäftigung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben wird.

 

Rz. 4a

Das Verlangen der Agentur für Arbeit ist deutlich und unmissverständlich gegenüber dem Arbeitgeber vorzubringen. Die Agentur für Arbeit kann auch die Verwendung eines Vordrucks verlangen. Das Auskunftsersuchen des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende bedarf keiner bestimmten Form; es kann also auch fernmündlich erfolgen.

2.3 Anspruchsverpflichtete

 

Rz. 4b

Anspruchsverpflichtet sind allein Arbeitgeber. Arbeitgeber ist nach § 14 SGB IV, wer einen oder mehrere Arbeitnehmer gegen Arbeitsentgelt beschäftigt. Auftraggeber selbstständiger Tätigkeiten sind von der Auskunftspflicht des § 57 nicht erfasst (Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 57 Rz. 9). Entscheidend ist daher die Abgrenzung anhand des Begriffs des Beschäftigungsverhältnisses (zu einem Rundfunkgebührenbeauftragten: BAG, Urteil v. 30.8.2000, 5 AZB 12/00). Ebenfalls nicht anspruchsverpflichtet sind Dienstberechtigte in anderen Rechtsverhältnissen, wie z. B. im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs. 3 (Becker, in: jurisPK-SGB II, § 57 Rz. 15; Thommes, in: Gagel, SGB II, § 57 Rz. 6) oder Auftraggeber von selbstständig Tätigen (Mushoff, in: BeckOK, SGB II, § 57 Rz. 7; Thommes, a. a. O.; Becker, a. a. O., Rz. 22).

 

Rz. 4c

Der Arbeitgeber muss die Verpflichtung zur Auskun...

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