Rz. 5
Nach § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat sich der Arbeitslose während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Bundesagentur ihn dazu auffordert. Die Meldepflicht wird nur durch eine rechtmäßige Aufforderung des Trägers der Grundsicherung begründet (st. Rechtsprechung des BSG zu § 132 AFG und § 309 SGB III: vgl. BSG, Urteil v. 29.9.1987, 7 RAr 17/86). Dies setzt voraus, dass
- ein Leistungsanspruch erhoben ist und
- einer der in § 309 Abs. 2 SGB III aufgeführten Meldezwecke vorliegt.
Rz. 6
Die Meldeaufforderung muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Es muss für den Betroffenen erkennbar sein, ob es um die allgemeine Meldepflicht oder um einen ärztlichen bzw. psychologischen Untersuchungstermin geht. In der Meldeaufforderung muss der Meldezweck, der Meldeort und der Meldezeitpunkt angegeben werden (BSG, Urteil v. 9.11.2010, B 4 AS 27/10 R; LSG Sachsen, Urteil v. 28.5.2020, L 3 AS 60/18). Die Einladung zu einem von dem Leistungsberechtigten selbst gewünschten Beratungstermin ist keine Meldeaufforderung. Wird eine Einladung zu einem von dem Hilfebedürftigen selbst gewünschten Beratungstermin als Meldeaufforderung bezeichnet, so muss unter Angabe des Meldezwecks vom Träger der Grundsicherung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Meldeaufforderung unabhängig vom Beratungswunsch des Leistungsberechtigten gilt (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 18.2.2005, L 8 AL 4106/03).
Rz. 7
Unschädlich ist es, wenn in dem Einladungsschreiben neben dem Meldezweck eines Gesprächs über die berufliche Situation bestimmt ist, dass der Termin gleichzeitig der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens dienen sollte (BSG, Urteil v. 9.11.2010, B 4 AS 27/10 R). Für den Zugang der Meldeaufforderung ist der Träger der Grundsicherung darlegungs- und beweispflichtig (LSG Sachsen, Urteil v. 28.5.2020, L 3 AS 60/18; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.3.2008, L 8 AS 5579/07; Sächs. LSG, Urteil v. 16.12.2008, L 7 B 613/08 AS-ER). Eintragungen einer Zustellfirma auf einer sog. Rollkarte, wonach an einem bestimmten Tag im Auftrag der Behörde ein Schreiben an die Adresse des Klägers ausgeliefert worden ist, genügt nicht als Nachweis für den Zugang einer Meldeanforderung nach § 59 (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.3.2008, L 8 AS 5579/07). Der Nachweis des Zugangs eines einfachen Schreibens kann nicht im Wege statistischer Überlegungen ersetzt werden. Vielmehr ist im Bestreitensfalle der Nachweis des Zugangs der Schriftstücke durch den beklagten Grundsicherungsträger zu führen (LSG Sachsen, Urteil v. 28.5.2020, L 3 AS 60/18). Bestreitet ein Hilfebedürftiger wiederholt den Erhalt von Schriftstücken, ist es an dem Leistungsträger, dem in geeigneter Weise, nämlich durch die Wahl einer Versendungsform mit Nachweis, entgegenzutreten.
Rz. 8
Die Meldeanforderung ist ein Verwaltungsakt, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden muss (BSG, Urteil v. 29.4.2015, B 14 AS 19/14 R; BSG, Urteil v. 19.12.2011, B 14 AS 146/11 B; Sächs. LSG, Urteil v. 15.6.2017, L 3 AS 950/16, ein auf eine Dienstleistung gerichteter Verwaltungsakt; ebenso: Bay. LSG, Urteil v. 21.12.2016, L 18 AS 669/16; LSG Niedersachsen, Urteil v. 12.6.2001, L 8 AL 425/00; Birk, in: Münder/Geiger, SGB II, § 59 Rz. 2; Mushoff, in: BeckOK, SGB II, § 59 Rz. 10). Die Rechtsbehelfsbelehrung setzt voraus, dass sie im Einzelfall konkret, richtig und vollständig ist und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgt sowie dem Leistungsberechtigten in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für ihn ergeben, wenn für dieses kein wichtiger Grund vorliegt. Die Meldeaufforderung kann mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung (LSG Hamburg, Urteil v. 7.11.2016, L 4 AS 360/16 B ER). Für den Zugang der Meldeaufforderung einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung ist der Träger der Grundsicherung beweispflichtig. Eine Meldeaufforderung des sachlich und örtlich zuständigen Jobcenters ist nicht deswegen rechtswidrig, weil ein Verstoß gegen die behördeninterne Aufgabenverteilung vorliegt (Bay. LSG, Beschluss v. 12.2.2019, L 7 AS 1008/18 NZB).
Rz. 9
Die Meldeaufforderung steht im Ermessen des Grundsicherungsträgers (Birk, in: Münder/Geiger, SGB II, § 59 Rz. 2). Eine Abfolge von siebenmal derselben Meldeaufforderung mit demselben Meldezweck in nahezu wöchentlichem Abstand verstößt gegen die vor einer Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung (BSG, Urteil v. 29.4.2015, B 14 AS 19/14 R). In Umsetzung dieser BSG-Rechtsprechung gilt in der Praxis der Bundesagentur für Arbeit Folgendes: Ab der 4. Einladung in Folge, d. h. ohne dass die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person den vorherigen Einladun...