Rz. 50
Das Auskunfts- oder Einsichtsverlangen der Agentur für Arbeit oder des kommunalen Trägers ist ein Verwaltungsakt. Wird die Auskunfts- oder Einsichtspflicht nicht erfüllt, kann sie nach § 66 Abs. 1 SGB X im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden (so bereits zur Rechtslage nach dem AFG und SGB III: vgl. BSG, Urteil v. 16.8.1989, 7 RAr 82/88; ebenso im Recht der Sozialhilfe zu § 116 BSHG: BGH, Urteil v. 5.3.1987, NDV-RD 1987, 85). Eine Leistungsklage des SGB II-Trägers dürfte insoweit unzulässig sein, weil der Träger sich selbst durch Erlass eines Verwaltungsaktes einen Vollstreckungstitel verschaffen kann. Wird vorsätzlich oder fahrlässig eine Auskunft nach § 60 nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erteilt, ist der Auskunftspflichtige der Agentur für Arbeit zum Schadenersatz nach § 62 verpflichtet. Die Verletzung des Einsichtsrechts begründet demgegenüber keine Schadenersatzpflicht. Dagegen ist die Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4 sowie das Einsichtsrecht nach § 60 Abs. 5 gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 4 und 5 mit einem Bußgeldtatbestand bewehrt. Dabei setzt der objektive Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 voraus, dass das Auskunftsverlangen verbindlich ist, also entweder nicht mehr anfechtbar oder sofort vollziehbar ist (OLG Hamm, Beschluss v. 12.4.2012, III-3 RBs 426/11).
Rz. 51
Die Weigerung des Auskunftsverpflichteten, die geforderten Angaben zu machen, berührt den Leistungsanspruch des Leistungsberechtigten nicht. Grundsätzlich trägt zwar der antragstellende Leistungsberechtigte die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen. Wenn eine Tatsache aber nicht nachweisbar ist, die dem Anspruch des Leistungsberechtigten entgegensteht, trägt insoweit der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Beweislast. Bürgergeld und Sozialgeld sind also auch dann zu zahlen, wenn ein Auskunftspflichtiger keine, verspätete oder unrichtige Angaben macht. Nach den Grundsätzen zum Verbot einer sog. geltungserhaltenden Reduktion von Auskunftsverwaltungsakten sind die Gerichte nicht befugt, solche Bescheide i. S. eines vermeintlichen "Minus" nur teilweise aufzuheben. Dies gilt auch für Auskunftsbegehren nach § 60. Hat das Gericht einen Auskunftsverwaltungsakt gleichwohl nur teilweise aufgehoben und hat dagegen ausschließlich der Adressat dieses Verwaltungsaktes Berufung eingelegt, ist der Verwaltungsakt im Berufungsverfahren insgesamt aufzuheben (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 21.6.2021, L 2 AS 462/19).
Rz. 52
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen ein Auskunftsverlangen nach § 60 Abs. 2 haben regelmäßig aufschiebende Wirkung, weil § 39 nicht greift (Bay. LSG, Beschluss v. 14.10.2015, L 7 AS 663/15 B ER). Solange die aufschiebende Wirkung andauert und die Behörde diese nicht bestreitet, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für vorbeugenden Rechtsschutz gegen ein künftiges Zwangsgeld oder Bußgeldverfahren. Hinsichtlich des Rechtsweges ist wie folgt zu unterscheiden. Rechtsstreitigkeiten um die Erteilung einer schriftlichen Auskunft eines Arbeitgebers sind bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG den Arbeitsgerichten zugewiesen sind. Rechtsstreitigkeiten um die Erteilung einer schriftlichen Auskunft eines sonstigen Dritten sind vor den Zivilgerichten auszutragen. Für Rechtsstreitigkeiten, in denen es um den zutreffenden Inhalt der Auskunft eines Arbeitgebers geht, sind die Sozialgerichte zuständig (Blügge, in: Luik/Harich, SGB II, § 60 Rz. 50). Mangels genügender Anhaltspunkte für den Wert des Auskunftsverlangens wird überwiegend der Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR gemäß § 52 Abs. 2 GKG zugrunde gelegt (BSG, Urteil v. 24.2.2011, B 14 AS 87/09; LSG Sachsen, Urteil v. 16.7.2014, L 8 AS 1148/12; Bay. LSG, Beschluss v. 30.4.2015, I 7 AS 640/13 B; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 24.6.2014, L 4 AS 798/12; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 27.3.2014, L 2 AS 877/12). Bei mehreren Auskunftsansprüchen nach § 60 ist für jeden einzelnen Auskunftsanspruch ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzusetzen (Bay. LSG, Beschluss v. 30.4.2015, l 7 AS 640/13 B).