0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende v. 20.7.2006 (BGBl. I S. 1706) in das SGB II eingefügt worden. Damit wurde die durch das Kommunale Optionsgesetz v. 30.7.2004 (BGBl. I S. 2014) mit Wirkung zum 6.8.2004 in das SGB II eingefügte Vorgängervorschrift über die befristete Weitergeltung wirksamer Abtretungsvereinbarungen, Übertragungen oder Verpfändungen sowie der Abzweigung nach § 48 SGB I und der in § 65e Abs. 2 enthaltenen Fortwirkung der Feststellungsentscheidung über den Eintritt einer Sperrzeit oder Säumniszeit, welche sich durch Zeitablauf überholt hat, ersetzt.
Rz. 2
Im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1.1.2011 ist die Vorschrift nicht verändert worden, dies geschah jedoch durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011 (BGBl. I S. 453) mit Wirkung zum 1.4.2011.
1 Allgemeines
Rz. 3
Die Vorschrift erweitert die Aufrechnungsmöglichkeiten nach § 43. Eine Aufrechnung von Ansprüchen auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Grundsicherungsstellen ist danach nur mit Ansprüchen der Leistungsträger aus Forderungen nach dem SGB II möglich. Daraus hat sich eine Regelungslücke für die Praxis ergeben. Durch den Übergang der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II erlaubt § 43 nicht, dass die Grundsicherungsträger Altschulden aus der Sozialhilfe aufrechnen, da sie nicht mit ihrem Anspruch nach dem SGB II, sondern mit einem Anspruch nach dem SGB XII aufrechnen.
Rz. 4
Der Gesetzgeber hat es als sachgerecht angesehen, den Grundsicherungsträgern mit Zustimmung des Trägers der Sozialhilfe, den früheren Trägern der Sozialhilfe in einer § 43 vergleichbaren Ausgangssituation eine begrenzte Möglichkeit zur Aufrechnung zu geben, um insoweit Kontinuität zu schaffen, als durch den Übergang in die Grundsicherung die Rückzahlung nicht beendet wird (Satz 1). Die Verweisung auf die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2, 3 und 4 Satz 1 für eine Aufrechnung resultiert aus der Neu- und Zusammenfassung der Regelungen über die Aufrechnung in § 43 zum 1.4.2011.
Allerdings wird die Aufrechnung auf einen Zeitraum von maximal 2 Jahren der Erbringung von Leistungen nach dem SGB II beschränkt (Satz 2). Dadurch wird der Charakter einer Restschuldbegleichung verdeutlicht.
2 Rechtspraxis
2.1 Grundsatz der Aufrechnung nach Satz 1
Rz. 5
§ 65e Satz 1 ermächtigt den zuständigen Träger der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende. Berechtigte Träger sind demnach die Bundesagentur für Arbeit mit ihren Dienststellen und die kommunalen Träger (Kreise und kreisfreie Städte), gleich, ob es sich um kommunale Träger i. S. d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder zugelassene kommunale Träger nach § 6a handelt. Allerdings nehmen neben den zugelassenen kommunalen Trägern seit dem 1.1.2011 nur noch die Jobcenter als gemeinsame Einrichtungen (§§ 44b, 6d) die Aufgaben nach dem SGB II wahr. In dieser Wahrnehmungszuständigkeit sind sie ebenfalls berechtigt i. S. d. Satzes 1. Nach Maßgabe des § 76 Abs. 1 können die Träger 2011 auch noch isoliert und nebeneinander berechtigt sein (Agenturen für Arbeit und kommunale Träger mit getrennter Aufgabenwahrnehmung).
Rz. 6
Weitere Voraussetzung einer Aufrechnung durch den zuständigen Träger der Grundsicherung ist die Zustimmung des Trägers der Sozialhilfe i. S.e. Ermächtigung zur Aufrechnung im konkreten Einzelfall, aus der der Betroffene zweifelsfrei ermittelt werden kann. Das wird i. d. R. durch schriftliche Ermächtigung gewährleistet werden.
Rz. 7
Abweichend von § 43 und über diese Vorschrift hinausgehend dürfen auch – und nach § 65e nur – bestehende Ansprüche des Sozialhilfeträgers gegen den Leistungsberechtigten aufgerechnet werden. Dabei ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 289 BGB vorliegen. Der Anspruch des Sozialhilfeträgers muss also fällig und frei von Einreden, d. h. bestandskräftig festgestellt oder jedenfalls sofort vollziehbar sein. Hinsichtlich Aufrechnung und Forderung besteht Personenidentität. Forderungen des Sozialhilfeträgers dürfen also nur gegen den Anspruch derselben Person auf Grundsicherungsleistungen aufgerechnet werden, gegen die auch die Forderung des Trägers der Sozialhilfe besteht.
2.2 Verweisung auf die Aufrechnungsvoraussetzungen nach § 43 Satz 1
Rz. 8
Die Verweisung auf § 43 Abs. 2, 3 und 4 Satz 1 stellt klar, dass die Aufrechnung durch das Jobcenter gegenüber der leistungsberechtigten Person in jedem Fall durch Verwaltungsakt zu erklären ist. Die Bekanntgabe erfolgt damit regelmäßig durch einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Das ermöglicht dem Betroffenen, gegen die Aufrechnung zunächst durch Widerspruch, ggf. aber auch durch Klage vor dem Sozialgericht vorzugehen. Die Jobcenter tun gut daran, die Leistungsberechtigten vor einer Aufrechnungserklärung nach § 24 SGB X anzuhören.
Rz. 9
§ 43 Abs. 2 und 3 enthalten Grenzen, die bei der jeweiligen Aufrechnung zu beachten sind.
Grundlage für Aufrechnungen nach § 65e s...