Rz. 17c

Das BVerfG führt in seinem Urteil v. 7.10.2014 aus, der verfassungsändernde Gesetzgeber habe mit Art. 91e GG für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine umfassende Sonderregelung geschaffen. Er habe auf ein Urteil des BVerfG v. 20.12.2007 reagiert, das die Zusammenarbeit von Agenturen für Arbeit und Kommunen in gemeinsamen Einrichtungen (seinerzeit sog. Arbeitsgemeinschaften) für verfassungswidrig erklärt hatte. Mit der Neuregelung sollte der im politischen Raum für praktikabel befundene Zustand aufrechterhalten und verfassungsrechtlich abgesichert werden. Im Anwendungsbereich des Art. 91e GG würden die allgemeinen Vorschriften des GG verdrängt. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Art. 91e GG bestünden nicht. Zwar durchbreche Art. 91e Abs. 1 GG das grundsätzliche Verbot der Mischverwaltung, das vom BVerfG auch mit dem Argument des Demokratieprinzips untermauert worden ist. Denn eine Verflechtung von Verwaltungszuständigkeiten könne dazu führen, dass der Auftrag des Wählers auf Bundes- oder Landesebene durch die Mitwirkung anderer Ebenen relativiert und konterkariert werde. Auch das Rechtsstaatsprinzip verlange im Interesse des effektiven Rechtsschutzes eine klare Zuordnung von Kompetenzen. Der wahlberechtigte Bürger müsse wissen können, wen er wofür nicht zuletzt durch Vergabe oder Entzug seiner Stimme verantwortlich machen könne. Daran fehle es, wenn die Aufgaben durch Organe oder Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen würden, die eine solche Verantwortungszuordnung nicht ermöglichten. Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip verlangten mit Blick auf die für die Ausrichtung und das Verständnis der Verfassungsordnung maßgebende Sicht des Bürgers zuallererst Klarheit der Kompetenzordnung. Aus dem Gebot der Bundesstaatlichkeit ergebe sich die Notwendigkeit, dass den Ländern in den Bereichen Legislative, Exekutive und Judikative substantielle Aufgaben unentziehbar verblieben, ohne dass damit bestimmte Aufgaben zugewiesen würden. Ein absolutes Verbot der Mischverwaltung lasse sich jedoch weder aus dem Demokratie- noch aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten; daher verstoße Art. 91e GG nicht gegen die sog. "Ewigkeitsgarantie" des Art. 79 Abs. 3 GG.

In seinem Anwendungsbereich verdränge Art. 91e GG die allgemeinen Regelungen über den Vollzug von Bundesgesetzen (Art. 83 ff. GG) und über die Finanzierung von Verwaltungsaufgaben (Art. 104a GG). Im Verhältnis zu den Art. 83 ff. GG wirke Art. 91e GG als abschließende Sonderregelung. Der verfassungsändernde Gesetzgeber habe offenkundig keine Regelung schaffen wollen, die sich möglichst schonend in die allgemeinen Strukturen einfüge, sondern eine umfassende Absicherung der Verwaltungspraxis ermöglichen wollen. Das zeige auch die Regelung zur Kostentragung (Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG), die zu einer direkten Finanzierung kommunalen Verwaltungshandelns durch den Bund führe. Wenn auch die Finanzierungslasten zwischen Bund und Ländern im Übrigen unangetastet blieben könnten, stelle dies in der Sache jedoch eine Abweichung von den Grundsätzen des Art. 104a Abs. 1, 3 und 5 GG dar.

 

Rz. 17d

Art. 91e Abs. 2 GG begründe unmittelbare Verwaltungs- und Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Optionskommunen. Die Gemeinden seien jedoch grundsätzlich Teil der Länder. Ihre Aufgaben und ihr Finanzgebaren würden den Ländern zugerechnet. Daher durchbreche die Vorschrift, wenn auch nur punktuell, die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus. Art. 91e Abs. 2 GG ermögliche dem Bund eine effektive Finanzkontrolle, die sich von der staatlichen Aufsicht wie auch von den Befugnissen des Bundesrechnungshofs unterscheide. Ohne die Finanzkontrolle bestünde die Gefahr, dass die Vollzugs- und die Finanzierungsverantwortung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auseinanderfallen und keine Anreize für die Optionskommunen für ein wirtschaftliches und sparsames Verwaltungshandeln mehr bestehe. Die Rechts- und Fachaufsicht ist hingegen nicht Regelungsgegenstand des Art. 91e GG. Die Aufsicht über die Gemeinden und Gemeindeverbände bleibe insoweit Sache der Länder. Die Finanzkontrolle beschränke sich auf die Überprüfung der Rechnungslegung, die Wirtschaftlichkeit der Ausgaben und die Durchsetzung eventueller Erstattungsansprüche. Es gehe ausschließlich um die Kontrolle der finanziellen Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung, von der Möglichkeit des Art. 91e Abs. 2 GG Gebrauch zu machen. Demgegenüber richtet sich die Finanzkontrolle des Bundesrechnungshofes auf die Prüfung der Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Bewertung ihrer Wirtschaftlichkeit. Es sollen lediglich Missstände aufgezeigt und ihre Beseitigung bewirkt werden. Der Bundesrechnungshof sei nur zur Kontrolle befugt, Mitentscheidungs- oder Sanktionsbefugnisse kämen ihm nicht zu. Seine Finanzkontrolle könne daher auch allenfalls mittelbar dazu beitragen, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu sichern, ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern und Fehlentwicklungen zu vermeiden.

 

Rz. 17e

Art. 91e Abs. 2 GG rä...

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