Rz. 47
Die Leistungsberechtigung nach § 7 setzt grundsätzlich einen Antrag nach § 37 voraus, der allerdings an keine Form gebunden ist, sondern lediglich die Willenserklärung enthalten muss, dass Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Anträge auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wirken auf den Beginn des Monats der Antragstellung zurück (§ 37 Abs. 2 Satz 2). Die leistungsauslösende Wirkung eines solchen Antrags kann i. d. R. auch nicht verwirkt werden, weil dem ein austariertes Mitwirkungssystem entgegensteht und Leistungsberechtigte darauf vertrauen können, dass sie auf Mitwirkungsversäumnisse schriftlich hingewiesen werden, und Gelegenheit erhalten, das Versäumte nachzuholen (BSG, Urteil v. 28.10.2009, B 14 AS 56/08 R, vgl. aber die Rechtsprechung des BSG in Rz. 46a). Dementsprechend können sich die Jobcenter nicht mehr auf das sog. Gegenwärtigkeitsprinzip zurückziehen ("Gelebt ist gelebt") und Leistungen für länger zurückliegende Zeiträume oder Anlässe systematisch verweigern. Ebenso dürfen Jobcenter nicht auf Geld- oder Sachmittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes verweisen, die der Bedarfsgemeinschaft tatsächlich nicht zur Verfügung stehen. Auf den Grund hierfür kommt es zunächst nicht an, ggf. kommen Ersatzansprüche in Betracht. Hat im Verlauf eines Bewilligungszeitraums für Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in einem Monat eine Überzahlung von Grundsicherungsleistungen stattgefunden, so kann dies bei endgültig festgesetzten Leistungen nicht durch die Auszahlung geringerer Leistungen in einem anderen Monat ausgeglichen werden. Vielmehr muss in jedem Monat der im Leistungsbescheid ermittelte Hilfebetrag auch tatsächlich zur Verfügung stehen (SG Landshut, Urteil v. 22.10.2021, S 11 AS 400/19).
Bei Nichtvorlage eines Identitätsnachweises können Leistungen nach dem SGB II versagt werden (Bay. LSG, Beschluss v. 5.12.2018, L 7 AS 977/18 B ER).
Das Jobcenter kann im Falle der Leistungspflicht eines vorrangig zuständigen anderen Trägers eine rückwirkende Änderung der im Wege der einstweiligen Anordnung ausgesprochenen Leistungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren nicht mit Erfolg geltend machen, wenn es diese bereits erfüllt hat (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 11.10.2022, L 34 AS 587/22 B ER).
Rz. 48
Für Schutzberechtigte, die ab dem 1.1.2016 anerkannt oder denen danach erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde und die erstmals Leistungen nach dem SGB II beantragen, gilt § 36 Abs. 1 in der Regel nicht. Diesen Schutzberechtigten kann kraft Gesetzes nach § 12a Abs. 1 AufenthG ein Wohnsitz in einem bestimmten Bundesland oder ergänzend nach § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG durch landesinterne Zuweisung ein konkreter Wohnsitz zugewiesen sein. Liegt eine Zuweisung gemäß § 12a AufenthG vor, ist das örtlich zuständige Jobcenter nach § 36 Abs. 2 zu bestimmen. Diese Vorschrift ist am 6.8.2016 in Kraft getreten.
Rz. 49
Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich über den gesetzlichen Wortlaut hinaus nicht nur nach der getroffenen Zuweisung, sondern auch nach dem gewöhnlichen Aufenthalt, der mit der Zuweisung des Wohnsitzes übereinstimmen muss. Damit wird gewährleistet, dass der gewöhnliche Aufenthalt nicht an einem anderen als dem in der Wohnsitzzuweisung bestimmten Ort begründet wird. § 36 Abs. 2 stellt klar, dass es auf die ausländerrechtliche Zuweisung ankommt. Anderen Auffassungen ist der Boden entzogen (vgl. z. B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 25.2.2016, L 7 AS 1391/14). Das LSG hatte entschieden, dass die Verpflichtung zur Übernahme von Unterkunftskosten (§ 22 Abs. 1 Satz 1) nicht dadurch entfällt, dass ein Hilfebedürftiger sich entgegen einer ausländerrechtlichen Wohnsitzauflage im Zuständigkeitsbereich eines anderen Grundsicherungsträgers aufhält. Eine Wohnsitzauflage sei für die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht maßgebend. Das Jobcenter darf zur Prüfung seiner örtlichen Zuständigkeit die Vorlage einer Meldebescheinigung fordern (Bay. LSG, Beschluss v. 5.12.2018, L 7 AS 977/18 B ER).
Für die Bearbeitung eines Antrags ist es grundsätzlich notwendig, dass eine vorhandene Aufenthaltsgestattung, ein Anerkennungsbescheid und ein Aufenthaltstitel beim Jobcenter vorgelegt werden. Aus diesen Unterlagen ergibt sich, welchem Bundesland der Schutzberechtigte zur Durchführung des Asylverfahrens zugewiesen wurde. Dazu muss die Adresse mit derjenigen abgeglichen werden, an die der Anerkennungsbescheid zugestellt worden ist. Der Wohnsitz der Zustellung liegt in dem Bundesland der Durchführung des Asylverfahrens bzw. Aufnahmeverfahrens (vgl. §§ 56 Abs. 1 Satz 1, 47 AsylG). Ob eine Wohnsitzzuweisung im Einzelfall besteht, ergibt sich aus dem Aufenthaltstitel. Sie ist im Chip des elektronischen Aufenthaltstitels (eAT) gespeichert und wird auf einem Zusatzblatt schriftlich ausgewiesen. Auf der Vorderseite des eAT ist unter Anmerkungen, neben der den Aufenthalt begründenden Norm, der Text "siehe Zusatzblatt" vermerkt. Ist ein solcher Vermerk vorhanden, wird ...