Rz. 137
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b schließt den Leistungsbezug für die Unionsbürger aus, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche oder seit dem 1.6.2024 allein aus dem Zweck der Arbeitsuche, der Ausbildungs- oder Studienplatzsuche oder aus einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20a AufenthG ergibt. Jeder andere Zweck, der auch neben diesen Zwecken besteht, steht einem Ausschluss damit entgegen, es sei denn, es handelt sich um einen abgeleiteten Zweck, wenn aufenthaltsberechtigte Kinder der Fürsorge des betroffenen Elternteils bedürfen (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c). Nach Auffassung des LSG Baden-Württemberg sind Unionsbürger nicht vom Leistungsausschluss betroffen, wenn sie lediglich nach einem Auslandsaufenthalt nach Deutschland zurückkehren, also nicht erstmals zur Arbeitsuche einreisen (Beschluss v. 17.9.2007, L 7 SO 3970/07 ER-B). Das LSG Nordrhein-Westfalen ist der Auffassung, dass nach einer längeren Zeit erfolgloser Arbeitsuche ein alleiniges Recht zum Aufenthalt nicht mehr nur zum Zwecke der Arbeitsuche vorliegen kann (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.10.2013, L 19 AS 129/13). Das SG Mainz ist entgegen dem EuGH der Auffassung, dass schon Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a. F. (jetzt Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG verstößt und darüber hinaus schon deshalb nicht anzuwenden ist, weil der Ausschluss gegen das Gleichbehandlungsverbot nach Art. 4 VO (EG) 883/2004 verstoßen soll. Eine Rechtfertigungsmöglichkeit sieht das SG nicht darin, den Zugang zu nationalen Systemen der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken (SG Mainz, Beschluss v. 12.11.2015, S 12 AS 946/15 ER). Auch Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b greift nicht, wenn sich das Aufenthaltsrecht eines Ausländers aus dem Zweck des Familiennachzugs ergibt (vgl. BSG, Urteil v. 30.1.2013, B 4 AS 37/12, a. a. O.). Ein solcher liegt aber nicht vor, wenn ein familiäres Zusammenleben mit den Familienangehörigen nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland weder stattgefunden hat noch geplant war (LSG Hessen, Beschluss v. 29.9.2016, L 9 AS 427/16 B ER).
Rz. 137a
Es ist nach der Rechtsprechung des BSG mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG) vereinbar, dass Ausländer, die über kein Aufenthaltsrecht oder nur ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche verfügen und denen eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland möglich und zumutbar ist, von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber hat demnach mit § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a und b und § 23 Abs. 3, 3a SGB XII in der seit dem 29.12.2016 geltenden Fassung ein verfassungskonformes Regelungsregime errichtet. Das dürfte auch auf die erweiterte Fassung zutreffen, die am 1.6.2024 in Kraft getreten ist. Anders als bei den vom AsylbLG erfassten Personen besteht bei Unionsbürgern grundsätzlich kein Anlass, an der Zumutbarkeit ihrer Ausreise zu zweifeln. Soweit eine Ausreise aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht möglich oder nicht zumutbar ist, greift die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII ein (BSG, Urteil v. 29.3.2022, B 4 AS 2/21 R).
Rz. 137b
Ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b kann durch den Ausschluss nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a abgelöst werden. Das ist z. B. der Fall, wenn die Arbeitsuche nicht (mehr) von einer begründeten Aussicht auf Einstellung begleitet wird und das fehlende Aufenthaltsrecht nunmehr darauf beruht, dass keine ausreichenden Existenzmittel einschließlich Krankenversicherungsschutz verfügbar sind.
Rz. 137c
Bei den vom Leistungsausschluss nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Betroffenen ist, sofern ein Aufenthaltsrecht festgestellt werden kann und demzufolge nicht schon ein Leistungsausschluss nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a vorliegt, nach Ablauf von 3 Monaten zu prüfen, ob sich nunmehr das Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Ist das der Fall, bleibt der Leistungsausschluss nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 nunmehr nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b bestehen. Besteht ein anderes Aufenthaltsrecht, ist Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 nicht anwendbar (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 20.8.2014, L 2 AS 1119/14 B ER). Nach Auffassung des Hessischen LSG ist das nicht der Fall, wenn die Einreise zur Ausübung der Personensorge erfolgt, die gegenüber einem Deutschen als minderjährigem unverheiratetem Unionsbürger ausgeübt werden soll (LSG Hessen, Beschluss v. 19.9.2012, L 7 AS 30/12 B ER). Im Fall einer schwangeren Bulgarin nach einem bereits einjährigen Aufenthalt in Deutschland mit möglicher Arbeitsaufnahme als bevorrechtigte Arbeitnehmerin gegenüber Drittstaatsangehörigen hat das BSG ebenfalls einen Leistungsausschluss verneint, weil der alleinige Aufenthaltsgrund Arbeitsuche nicht positiv festgestellt werden konnte. Zu berücksichtigen könnten auch nicht im Ausländerrecht ausdrücklich au...