Rz. 239
Zu jeder Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II gehört mindestens ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter i. S. d. § 7 Abs. 1 (Abs. 3 Nr. 1). Von diesem wird vermutet, dass er die Bedarfsgemeinschaft vertritt (vgl. § 38). Wäre das nicht der Fall, gäbe es keinen (erwerbsfähigen) hilfebedürftigen Arbeitsuchenden in der Bedarfsgemeinschaft. In diesem Fall wäre das SGB II nicht anwendbar, ggf. bestünden Ansprüche nach dem SGB XII. Es können auch mehrere erwerbsfähige Personen zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören, z. B. 2 erwerbsfähige Partner oder 2 erwerbsfähige Partner und ein oder mehrere erwerbsfähige unverheiratete Kinder unter 25 Jahren. Dann greift die Vermutung des § 38 in Bezug auf den antragstellenden Leistungsberechtigten. Die Altersgrenze von 25 Jahren ist sowohl mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V. mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (BSG, Urteil v. 1.12.2016, B 14 AS 21/15 R). Eine Person kann auch mehrere der in den Nr. 1 bis 4 aufgelisteten Tatbestandsmerkmale erfüllen, wird jedoch für die Leistungsgewährung letztlich nur einmal bei der Bedarfsfeststellung berücksichtigt, z. B. der Ehegatte eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten als dessen Partner, der aber auch selbst erwerbsfähig i. S. d. Abs. 3 Nr. 1 ist. Zeitgleich kann eine Person mehreren Bedarfsgemeinschaften angehören, typischerweise beim Wechselmodell zum Sorge- und Umgangsrecht mit minderjährigen Kindern durch die leistungsberechtigten Elternteile. Bei einem Wechselmodell ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH die Parität zu prüfen, also die Teilung der Betreuung des Kindes zu gleichen oder jedenfalls annähernd gleichen Teilen durch die Eltern, etwa durch wöchentlichen Wechsel des Aufenthaltes des Kindes von einem zu dem anderen Elternteil. Kürzere oder längere Abstände sind nicht ausgeschlossen (BGH, Beschluss v. 12.3.2014, XII ZB 234/13). Maßgebend sollte die jeweils günstigste Leistung für den Regelbedarf (§ 20) sein. Diese Leistungen sind aber so konstruiert, dass jeweils 2 Personen Anspruch auf 180 % der Eckregelleistung haben; ausgenommen sind Minderjährige, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und je nach Sachverhalt unverheiratete Kinder unter 25 Jahren. Der Bedarf wird für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt festgestellt. Eine Bedarfsgemeinschaft kann auch nur temporär, aber sich immer wieder für kurze Zeit wiederholend bestehen, z. B. zur Wahrnehmung des Umgangsrechtes durch den nicht sorgeberechtigten Elternteil. Einen Anspruch auf Leistungen hat aber nie die Bedarfsgemeinschaft insgesamt, auch wenn ihr Bedarf insgesamt festgestellt wird, das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen horizontal berücksichtigt wird (vgl. § 9) und letztlich ein Auszahlungsbetrag für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt errechnet und angewiesen wird. Das ändert nichts daran, dass jeweils einzelne Ansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestehen.
Finden die Grundsätze der umgangsrechtlich begründeten Bedarfsgemeinschaft mit Erreichen der Volljährigkeit des Kindes keine Anwendung mehr, endet auch die gesetzlich normierte Antragsbefugnis des umgangsberechtigten Elternteils (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 1.11.2023, L 14 AS 870/23 B ER). Unabhängig vom Institut der temporären Bedarfsgemeinschaft besteht bei Hilfebedürftigkeit ein Leistungsanspruch in der Bedarfsgemeinschaft für die hälftige Aufenthaltszeit, wenn unter 25-jährige Erwachsene vor Erreichen der Volljährigkeit mit einem Elternteil und einem minderjährigen Geschwisterkind in temporärer Bedarfsgemeinschaft gelebt haben, wegen des Wechselmodells die Bestimmung eines Aufenthaltsschwerpunktes bei Vater oder Mutter ausscheidet und sich der oder die volljährig Gewordene entscheidet, weiterhin im Wechselmodell bei den Eltern zu leben. Der Anspruch des oder der volljährig Gewordenen stellt sich in solchen Fällen mit Erreichen der Volljährigkeit nicht als Leistung zur Ausübung des Umgangsrechts, sondern als Leistung zur eigenen Existenzsicherung dar.
Dementsprechend sind auch Rückabwicklungsverhältnisse auf die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auszurichten (vgl. BSG, Urteil v. 16.5.2012, B 4 AS 154/11 R). Das gilt entsprechend für die Problematik fehlender Mitwirkung nach den §§ 60 ff. SGB I. Nach dem in § 66 SGB I vorgesehenen Verfahren darf die Leistung nur demjenigen gegenüber versagt oder entzogen werden, der im Einzelfall zur Mitwirkung verpflichtet ist. Folgerichtig muss ein Kind zur Wahrnehmung des Umgangsrechts benötigte Leistungen selbst gegenüber dem Jobcenter geltend machen, im Falle einer Klage wäre diese ansonsten unzulässig. Allerdings wird das minderjährige Kind durch die Eltern nach Maßgabe des § 1629 BGB gesetzlich vertreten (SG Karlsruhe, Urteil v. 24.2.2015, S 17 AS 4923/13). Vertretungsbefugt ist der Elternteil, dem das alleinige Sorgerecht obliegt. Für die Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft kommt es auf den ehelichen Güterstand nicht an; dies gilt auch für die sich daraus ergeb...