Rz. 269
Genügen die Feststellungen insgesamt nicht, eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft festzustellen, darf das Jobcenter eine solche vermuten, wenn mindestens ein Kriterium nach Abs. 3a vorliegt. Die Aufzählung ist dennoch nicht abschließend, auch die Kriterien sind nicht zwingend abschließend definiert.
Rz. 270
Abs. 3a nennt 4 Kriterien, die dafür ausreichen, aufgrund gesetzlicher Vermutung eine Partnerschaft nach Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c anzunehmen. Es genügt, wenn eines der Kriterien festgestellt werden kann. Andererseits ist die Aufzählung nicht abschließend, d. h. andere Kriterien können zur Feststellung der Partnerschaft nach Abs. 3 herangezogen werden, nicht aber zu deren Vermutung nach Abs. 3a. Ein Kriterium muss stets auf beide Personen in der Haushaltsgemeinschaft zutreffen. Lediglich bezogen auf Nr. 3 ist davon auszugehen, dass es sich um ein Kind nur einer Person in der Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft handelt. Die Vermutungsregel des Abs. 3a kann nicht auf das Wohngeldgesetz ausgedehnt werden (VG Berlin, Urteil v. 8.9.2015, 21 K 285.14). Eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in Form einer eheähnlichen Gemeinschaft kann auch bei Vorliegen eines Vermutungstatbestandes anhand von Indizien im Wege einer Gesamtwürdigung bekräftigt werden (Bay. LSG, Beschluss v. 27.7.2016, L 7 AS 414/16 B ER).
Rz. 271
Die Vermutung nach Abs. 3a Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c stellt keine Bedingung i. S. einer Voraussetzung für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft dar, auch andere Anzeichen können die Feststellung zulassen, dass eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt, z. B. eine gemeinsame Antragstellung und die Unterzeichnung des Widerspruchs durch die selbst nicht hilfebedürftige Person (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 9.5.2012, L 13 AS 105/11). Abs. 3a Nr. 1 nennt als Kriterium das Zusammenleben für länger als ein Jahr. Eine Einstehensgemeinschaft ist dementsprechend auch bei einem kürzeren Zusammenleben der Partner als für ein Jahr möglich; der Umkehrschluss aus Abs. 3a Nr. 1, bei kürzerem Zusammenleben als einem Jahr könne keine Einstehensgemeinschaft vorliegen, ist nicht gerechtfertigt. Andererseits kann allein eine kürzere Dauer des Zusammenlebens von bis zu einem Jahr eine gesetzliche Vermutung nicht begründen. Allerdings obliegen dann dem Jobcenter die Darlegung und der Nachweis der Einstehensgemeinschaft. Zusammenleben ist als Haushaltsgemeinschaft zu verstehen (Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c). Mehrere aufeinanderfolgende Haushaltsgemeinschaften (mit unterschiedlicher Adresse) sind zusammenzurechnen. Das gilt auch dann, wenn Haushaltsgemeinschaften mit verschiedenen anderen Personen oder Angehörigen bestanden haben, sofern nur jeweils beide für eine Partnerschaft in Betracht kommende Personen im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Das gilt hingegen nicht, soweit und solange bei gemeinsamem Haushalt eine Person oder gar beide in einer anderen Partnerschaft gestanden haben. Andererseits ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, eine Unterbrechung der Haushaltsgemeinschaft außer Betracht zu lassen. Eine solche Unterbrechung lässt also nicht zwingend eine neue Jahresfrist i. S. d. Abs. 3a Nr. 1 beginnen.
Rz. 271a
Nur bei Vorliegen gewichtiger Umstände im Einzelfall kann von der Jahresfrist gemäß Abs. 3a Nr. 1 nach unten abgewichen werden (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 29.3.2022, L 3 AS 29/22 B ER). Die Frist von einem Jahr ist der Zeitraum, den das Gesetz Partnern zubilligt, um herauszufinden, ob man für einander einstehen und Verantwortung übernehmen will, bevor dies (widerleglich) unterstellt wird. Bei einem Zusammenleben von kürzerer Dauer als einem Jahr ist daraus nicht automatisch der Schluss zu ziehen, dass keine Einstands- oder Verantwortungsgemeinschaft besteht. Stattdessen fehlt es lediglich an der gesetzlichen Vermutung eines Einstandswillens. Bei Partnern, die kürzer als ein Jahr zusammenwohnen, können allerdings nur gewichtige Umstände die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft begründen. Dafür trägt der Grundsicherungsträger die objektive Beweislast. Ein Verlöbnis begründet derart gewichtige Umstände nicht, wenn es wieder gelöst worden ist und daraufhin ein vorübergehender Auszug eines Partners erfolgt ist. Im entschiedenen Verfahren konnte zunächst als Indiz für die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft das Verlöbnis der Antragstellerin mit ihrem Partner herangezogen werden, das nach den Angaben der Antragstellerin früher stattgefunden hatte. Dies für das Gericht umso mehr, als der Heiratswunsch auch förmlich durch Austausch von Ringen besiegelt wurde und die Antragstellerin wenig überzeugend bemüht war, das Verlöbnis insgesamt in Abrede zu stellen. Allerdings war für das Gericht zu berücksichtigen, dass es trotz des frühen Verlöbnisses zu einer Krise in der Beziehung gekommen ist, die zu einer nach Außen manifestierten Beendigung des Verlöbnisses (Ablegen des Rings) und zu einem Auszug der Antragstellerin mitsamt ihrer beiden Kin...