Rz. 9
§ 158 vermutet, dass eine Entlassungsentschädigung Arbeitsentgelt im Rechtssinne des § 157 Abs. 1 enthält, wenn bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die für den Arbeitgeber maßgebende Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist. Das gilt auch für den Fall, dass bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist die Entlassungsentschädigung in gleicher Weise zu zahlen gewesen wäre (Bay. LSG, Urteil v. 14.12.2016, L 10 AL 265/15). Unerheblich ist, ob dem Arbeitsverhältnis ein unbefristeter oder befristeter Arbeitsvertrag zugrunde liegt, der Bestand befristeter Verträge soll bis zu deren vertraglichem Ende reichen (vgl. dazu BSG, Urteil v. 12.12.1984, 7 RAr 87/83, SozR 4100 § 117 Nr. 13). Diese typisierende Vermutung kann weder von dem Arbeitslosen noch seinem ehemaligen Arbeitgeber widerlegt werden. Das bedeutet, dass derjenige Teil der Entlassungsentschädigung, der Arbeitsentgelt bis zur Beendigung der arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist enthält, zum Ruhen des Anspruchs auf Alg führt, während der übrige Teil der Entlassungsentschädigung als Leistung zum Ausgleich des Verlustes sozialer Besitzstände, etwa den Abschied von Arbeitskollegen und vertrauter Umgebung und Schwierigkeiten durch Aufnahme einer neuen Beschäftigung, angesehen wird und deshalb dem Arbeitslosen ohne Auswirkungen auf das Alg verbleibt. Die Agenturen für Arbeit haben deshalb sorgfältig zu prüfen, ob, etwa aufgrund eines Aufhebungsvertrages, die arbeitgeberseitige Kündigungsfrist eingehalten wurde oder nicht. Eine irgendwann signalisierte Bereitschaft, zu einem späteren Zeitpunkt gegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, sehen die Agenturen für Arbeit nicht als Aufhebungsvertrag an. Das Verhältnis der beiden Anteile wird pauschalierend in Abs. 2 geregelt. Damit wird die Prüfung, ob in einer Entlassungsentschädigung Lohnausfall enthalten ist, gerade verhindert. Es spielt deshalb auch keine Rolle, ob der Arbeitslose tatsächlich Anspruch auf Arbeitsentgelt bis zum Ablauf der für den Arbeitgeber maßgebenden Kündigungsfrist gehabt hätte oder nicht, z. B. wegen andauernder langer Krankheit. Nach der Rechtsprechung des BSG ist der damalige § 143 a insoweit auch nicht einschränkend auszulegen oder verfassungswidrig (BSG, Urteil v. 20.1.2000, B 7 AL 48/99 R, SozR 3-4100 § 117 Nr. 20). Eine Ausnahme gilt nach dem Willen des Gesetzgebers allein in Fällen des Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bei Berechtigung zur fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber, weil dann die Entlassungsentschädigung allein als Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes dient. In Entlassungsentschädigungen nach § 1a KSchG ist kein Arbeitsentgelt enthalten, weil allein der Verlust des Arbeitsplatzes ausgeglichen wird.
Rz. 10
Es kommt daher für die Anwendung des § 158 nicht auf die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an sich an – Kündigung durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer, Aufhebungsvertrag oder anderweitige einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses –, sondern allein auf die Einhaltung der arbeitgeberseitig maßgeblichen Kündigungsfrist unabhängig von einer davon abweichend für den Arbeitnehmer geltenden Frist oder sonstigen Berechtigung (auch durch Verschulden des Arbeitgebers) zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ebenso ist deshalb die arbeitgeberseitige Kündigungsfrist nicht eingehalten, wenn für den Arbeitnehmer eine kürzere Kündigungsfrist gegolten hat und dieser fristgerecht gekündigt hat. Ein Abwicklungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis selbst nicht. Ob eine arbeitgeberseitige Kündigung rechtmäßig war, ist ohne Belang, sofern diese das Arbeitsverhältnis beendet hat. Unbeachtlich ist auch, ob der Arbeitnehmer zur fristlosen Kündigung berechtigt war. Eine Abfindung führt deshalb grundsätzlich auch dann zum Ruhen des Anspruchs auf Alg, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis fristlos beendet hat, weil die arbeitgeberseitige Kündigungsfrist nicht eingehalten ist. Das dies zur Vermeidung von Leistungsmissbrauch zutreffend geregelt ist, liegt auf der Hand. Denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der Arbeitgeber bei einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer diesem auch noch eine Entschädigung leistet. Die Ruhensregelung ist deshalb auch nicht bei einem Aufhebungsvertrag mit Entlassungsentschädigung anzuwenden, wenn die Frist für eine ordentliche Kündigung eingehalten wurde und die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung mit Auslauffrist bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer eingehalten wurden (Bay. LSG, Urteil v. 21.9.2016, L 10 AL 75/16).
Rz. 11
Aus dieser Konstruktion der Vorschrift folgt, dass allein die objektive Rechtslage ausschlaggebend ist, mithin Irrtümer beim Arbeitgeber oder Arbeitnehmer über die maßgebliche Kündigungsfrist oder den Entgeltcharakter der Entlassungsentschädigung unbeachtlich sind. Das trifft z. B. für den Fall zu, dass die nach dem Kündigungsfristengesetz einzuhaltenden Mindestkündig...