Rz. 12
Abs. 2 regelt unter Nr. 1 bis 4 Ausnahmetatbestände, unter denen eine auswärtige Unterbringung auch dann die Voraussetzung zur Förderung erfüllt, wenn die Angemessenheit der Wegezeit unberücksichtigt zu bleiben hat. Die 4 aufgeführten Tatbestände stehen alternativ zueinander.
Rz. 13
Nach Nr. 1 sind alle Auszubildenden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ohne Einschränkung anspruchsberechtigt. Es darf bezweifelt werden, ob diese Beschränkung auf Volljährige sozialpolitisch überzeugend ist, da insbesondere hierdurch Jugendlich mit niedrigem Schulabschluss und damit verbunden einem regelmäßig niedrigem Alter benachteiligt werden.
Rz. 14
Nach Abs. 2 Nr. 2 ist anspruchsberechtigt, wer verheiratet ist oder war. Das bedeutet, dass auch geschiedene oder verwitwete Auszubildende anspruchsberechtigt sind. Anspruchsberechtigt nach Abs. 2 Nr. 2 sind auch unter 18-jährige, wenn sie verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft sind oder waren.
Rz. 15
Anspruchsberechtigt sind Auszubildende, die mit mindestens einem Kind zusammenleben, Abs. 2 Nr. 3. Unter Kind sind sowohl nichteheliche Kinder als auch Adoptivkinder zu verstehen. In der Literatur umstritten ist die Frage, ob auch das Zusammenleben mit anderen Kindern den Tatbestand erfüllt. Dies dürfte aber in Anbetracht des familienrechtlichen Bezugs der Vorschrift zu verneinen sein (Wagner, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 60 Rz. 10; Schön, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 60 Rz. 9; Hassel, in: Brand, SGB III, § 60 Rz. 7 a.A: Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 60 Rz. 31; Buser, in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 64 Rz. 56).
Rz. 16
Schwerwiegende Gründe i. S. v. Abs. 2 Nr. 4 liegen insbesondere dann vor, wenn es sich um eine dauerhaft gestörte Eltern-Kind-Beziehung handelt, der Auszubildende etwa deshalb seit längerem auswärts untergebracht ist, oder wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Auszubildenden durch die Eltern oder deren Umfeld gefährdet ist (LSG Bayern, Beschluss v. 6.8.2008, L 10 B 522/08 AL ER). Nach Abs. 2 Nr. 4 ist eine Verweisung auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen dann nicht zumutbar, wenn
- eine Eltern-Kind-Beziehung nie bestanden hat oder seit längerem nachhaltig und dauerhaft gestört ist,
- Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Auszubildenden besteht (z. B. ein Elternteil ist schwer alkoholkrank, drogenabhängig, psychisch gestört).
Schließen Eltern und ein fast volljähriges Kind nach langwährenden tiefgreifenden Auseinandersetzungen übereinstimmend das Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung aus, so liegen i. d. R. schwerwiegende soziale Gründe i. S. v. Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 vor, die der Ablehnung der BAB unter Verweis auf die elterliche Wohnung entgegenstehen (BSG, Urteil v. 2.6.2004, B 7 AL 38/03 R). Allein in der Größe der Wohnung der Mutter des Auszubildenden ist ein schwerwiegender sozialer Grund nicht zu sehen, auch wenn die Wohnfläche nur rd. 30 qm beträgt (LSG Bayern, Beschluss v. 6.8.2008, L 10 B 522/08 AL ER). Das Vorliegen von schwerwiegenden sozialen Gründen ist nicht nur aus Sicht des Auszubildenden, sondern auch aus Sicht von dessen Eltern zu beurteilen.
Rz. 17
Die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit sehen darüber hinaus die Anerkennung der auswärtigen Unterbringung aus schwerwiegenden sozialen Gründen immer dann vor, wenn Auszubildende Hilfe zur Erziehung
- in Vollzeitpflege in einer anderen Familie (Pflegeeltern) – § 33 SGB VIII – oder
- in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) – § 34 SGB VIII – oder
- durch individuelle sozialpädagogische Intensivbetreuung (Betreuung besonders gefährdeter Jugendlicher durch spezielle Dienste) – § 35 SGB VIII –
erhalten.
Rz. 18
Sofern Auszubildende wegen Unterbringung im elterlichen Haushalt keinen Anspruch auf BAB hatten, sie aber gleichwohl aufgrund unzureichender eigener und familiärer Einkünfte nicht in der Lage waren, den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, konnten sie bis zum 31.12.2004 Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz beanspruchen. Die seit 1.8.1996 aus rechtssystematischen Gründen vom AFG (§ 40 Abs. 1c) in das BSHG (§ 26 Abs. 2) übernommene Regelung beschrieb eine Ausnahme. Grundsätzlich hatten ansonsten Auszubildende, deren Ausbildung nach dem SGB III oder BAföG dem Grunde nach förderungsfähig war, keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt.