Zusammenfassung
Scheinselbstständige treten im Erwerbsleben als selbstständige Unternehmer auf, obwohl sie von der Art ihrer Tätigkeit her Arbeitnehmer sind. Scheinselbstständige gelten daher in der Sozialversicherung als versicherungspflichtige Arbeitnehmer. Arbeitsrechtlich sind Scheinselbstständige regelmäßig Arbeitnehmer. Die Abgrenzung zwischen einer selbstständigen und einer nichtselbstständigen Tätigkeit ist entscheidend für die Frage der Einkünfteermittlung, für den Lohnsteuereinbehalt sowie die Umsatzsteuerpflicht.
Arbeitsrecht: Ausgangspunkt für die Beurteilung der Selbstständigkeit ist § 84 HGB. Danach ist selbstständig, "wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann". Demgegenüber ist der Arbeitsvertrag (seit 1.4.2017) in § 611a BGB geregelt.
Sozialversicherung: Die Definition eines Beschäftigungsverhältnisses – auch in Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit – wird im Sozialversicherungsrecht durch § 7 SGB IV vorgenommen. Die Möglichkeit der Statusfeststellung ist in § 7a SGB IV geregelt. Das Gemeinsame Rundschreiben der Sozialversicherungsträger vom 21.3.2019 (GR v. 21.3.2019-II) enthält zudem sehr ausführliche Aussagen rund um den Themenkomplex einer Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerbeschäftigung und Selbstständigkeit. Dieses Rundschreiben löst ab 1.7.2019 das bisherige Rundschreiben vom 13.4.2010 ab.
Arbeitsrecht
Der Begriff der "Scheinselbstständigkeit" ist in erster Linie ein sozialversicherungsrechtlicher Begriff. Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung, Urlaub und andere Rechte und Privilegien eines Arbeitnehmers werden durch die sozialversicherungsrechtliche Einordnung nicht beeinträchtigt.
Das Bundesarbeitsgericht hat einen Katalog aufgestellt, mit dessen Hilfe festgestellt wird, ob ein Selbstständiger nur "Scheinselbstständiger" und damit als Arbeitnehmer zu behandeln ist oder tatsächlich als Unternehmer arbeitet.
Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses (Scheinselbstständigkeit) sprechen nach den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen:
- Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber, und zwar in zeitlicher und fachlicher wie in örtlicher Hinsicht
- Eingliederung in den Betrieb des Auftrag-/Arbeitgebers
- Einbeziehung in den betrieblichen Ablauf
- keine Unternehmerinitiative und kein Unternehmerrisiko
- festes Entgelt, Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung
- Leistungserbringung in eigener Person
- keine Delegationsmöglichkeit an andere Personen
- Arbeitsumfang wird von anderen bestimmt
Dabei ist zu beachten, dass auch bei Vorliegen eines oder mehrerer Kriterien nicht automatisch ein Arbeitsverhältnis anzunehmen ist. Entscheidend ist immer die Gesamtabwägung im Einzelfall.
Durch § 611a BGB ist gesetzlich geregelt, wann in Abgrenzung zum freien Dienstvertrag oder zum Werkvertrag ein Arbeitsvertrag vorliegt. Ein Arbeitsvertrag liegt dann vor, wenn eine Person im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die Weisungen des Arbeitgebers können sich auf Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit beziehen. Je weiter dieses Direktionsrecht reicht, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses und keines Werkvertrags. Die Abgrenzung des Arbeitsvertrags von anderen Vertragsverhältnissen ist im Wege einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen kann. Wenn sich der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung als Arbeitsvertrag die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses maßgebend.
Stellt sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis, d. h. eine vermeintliche Selbstständigkeit als Scheinselbstständigkeit dar, kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts i.d.. nicht davon ausgegangen werden, die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet. Wenn und soweit die in einem Arbeitsverhältnis für die erbrachte Leistung zu zahlende Vergütung geringer gewesen wäre, als das für die vermeintliche freie Mitarbeit als (Schein-)Selbstständiger gezahlte Honorar, hat der Arbeitgeber gegenüber dem Scheinselbstständigen einen Rückforderungsanspruch in Höhe der Überzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung. Denn zu den Besonderheiten einer selbstständigen Tätigkeit gehört, dass der Auftraggeber keine Sozialversicherungsanteile zu übernehmen hat, keine Lohnsteuer abführen muss, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder an gesetzlichen Feiertagen zu leisten oder keinen bezahlten Erholungsurlaub zu gewähren hat. Diese Umstände sind aber regelmäßig wesentlicher Teil der kalkulatorischen Überlegungen des Auftraggebers bei der Festsetzung des Honorars bzw. des Arbeitgebers bei der Vereinbarung der Höhe der Ver...