0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) mit Wirkung zum 1.1.2020 in das SGB IX eingefügt worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift enthält eine Weiterentwicklung des Rechts des SGB XII in § 1 zur Aufgabe der Sozialhilfe allgemein und in § 53 zur Aufgabe der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Das Sechste Kapitel im SGB XII ist zum 1.1.2020 weggefallen, die §§ 53 bis 60a wurden aufgehoben (Art. 13 BTHG). Die Aufgaben der Eingliederungshilfe sind somit seit dem 1.1.2020 in Teil 2 des SGB IX bestimmt.
2 Rechtspraxis
2.1 Definition der Aufgabe der Eingliederungshilfe (Abs. 1)
Rz. 3
Abs. 1 definiert übergreifend die Aufgabe der Eingliederungshilfe. Er orientiert sich an den in Art. 3 Buchst. a und c formulierten allgemeinen Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), auf welche alle Leistungen auszurichten sind. Dies sind insbesondere "individuelle Autonomie einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie die Unabhängigkeit" und "die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und die Einbeziehung in die Gesellschaft". Die ebenfalls genannte Achtung der Menschenwürde ist zugleich auch ein verfassungsrechtliches Gebot des Art. 1 Abs. 1 GG, dem bei der Eingliederungshilfe als unterstem sozialen Netz für Leistungen an Menschen mit Behinderungen höchste Bedeutung zukommt. Der Hinweis auf die inklusive Gesellschaft macht die Sichtweise der UN-BRK deutlich, wonach Menschen mit Behinderungen Teil der Gesellschaft sind und nicht erst einbezogen werden müssen.
Eine inhaltliche Änderung der Aufgabe der Eingliederungshilfe ist mit der neuen Definition gegenüber den bis zum 31.12.2019 im SGB XII bestimmten Aufgaben nicht verbunden.
2.2 Differenzierung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Abs. 2 bis 5)
Rz. 4
Die Leistungen der Eingliederungshilfe differenzieren sich in Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, den Leistungen zur Teilhabe an Bildung und den Leistungen zur sozialen Teilhabe. Die Abs. 2 bis 5 definieren jeweils die besonderen Aufgaben dieser Leistungen. Die Definitionen greifen im Wesentlichen die bisherigen Aufgaben dieser Leistungen im Sechsten Kapitel des SGB XII unverändert auf, bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist die Aufgabe der Eingliederungshilfe seit dem 1.1.2018 um Leistungen an andere Leistungsanbieter und das Budget für Arbeit ergänzt worden (bis 31.12.2019 §140 SGB XII i. d. F. des Art. 12 BTHG). Ebenfalls bei der Teilhabe an Bildung ist die bisherige Aufgabe der Eingliederungshilfe erweitert worden.
2.2.1 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Abs. 2)
Rz. 5
Abs. 2 definiert aufbauend auf der allgemeinen Definition der Aufgabe der Eingliederungshilfe die spezielle Aufgabe der medizinischen Rehabilitation. Die Regelung entspricht inhaltlich der vorherigen Definition in § 53 Abs. 3 SGB XII. Die Verweisung auf § 99 Abs. 1 bezieht sich auf § 99 Abs. 1 i. d. F. des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf BT-Drs. 18/9522, mit dem der leistungsberechtigte Personenkreis bestimmt werden sollte. § 99 in dieser Fassung ist aber im Gesetzgebungsverfahren gestrichen und durch eine ""Übergangsregelung" bis zum 31.12.2022 ersetzt worden (vgl. im Einzelnen die Komm. zu § 99 Rz. 10). Bis zum 31.12.2022 wird die Regelung des § 53 SGB XII zum leistungsberechtigten Personenkreis beibehalten. § 99 in der bis dahin geltenden Fassung enthält nur einen Absatz. Die Verweisung in § 90 Abs. 2 ist dabei versehentlich nicht redaktionell angepasst worden.
2.2.2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Abs. 3)
Rz. 6
Abs. 3 bestimmt die besondere Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben. Die Leistungen umfassen Leistungen zur Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (§ 58) und seit dem 1.1.2018 auch zur Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter (§ 60) sowie Leistungen für ein Budget für Arbeit (§ 61). Die letztgenannten Leistungen waren mit dem BTHG zum 1.1.2018 eingeführt worden und für die Träger der Eingliederungshilfe bis zum 31.12.2019 in § 140 SGB XII geregelt. Mit Inkrafttreten des Teils 2 des SGB IX sind die Leistungen nunmehr in § 111 aufgeführt.
Bis zum 31.12.2017 konnten die Träger der Eingliederungshilfe auch Leistungen zur Beschäftigung in einer "sonstigen Beschäftigungsstätte" nach § 56 SGB XII erbringen. "Sonstige Beschäftigungsstätten" waren Werkstätten für behinderte Menschen vergleichbare Einrichtungen, die aber auf das formale Anerkennungsverfahren einer Werkstatt für behinderte Menschen verzichtet hatten und damit nicht die Vorteile einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erhalten konnten (Sonderregelungen bei der Sozialversicherung der Beschäftigten, bevorzugte Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand, ermäßigter Umsatzsteuersatz). Sonstige Beschäftigungsstätten gab es unter verschiedenen Namensgebungen in einigen Bundesländern, nicht flächendeckend.
Die Möglichkeit der Förderung der Beschäftigung in "Sonstigen Beschäftigungsstätten" besteht seit dem 1.1.2018 nicht mehr, § 56 SGB XII wurde zum 1.1.2018 aufgehoben (Art. 12 Nr. 3 BTHG). Zu diesem Datum wurden die anderen L...