Rz. 35
Der Gesetzgeber gibt nicht vor, unter welchen Voraussetzungen der Versicherte Rehabilitationssport zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen kann. In der Vergangenheit gingen die Krankenkassen davon aus, dass die Leistung "Rehabilitationssport" letztendlich nur als "Anschubfinanzierung" zu verstehen ist; der Reha-Sportler hat nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes die dann entstehenden Mitgliedsbeiträge oder die dann entstehenden Kosten für die Übungsstunden selbst zu tragen, wenn er ohne medizinische bzw. ohne behinderungsbedingter Notwendigkeit weiter in der Rehabilitationssportgruppe bleiben möchte oder sich einer anderen Rehabilitationssportgruppe anschließen will. Diese Anschubfinanzierung entspricht grundsätzlich dem Gedanken der in § 1 Satz 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 SGB V verankerten Eigenverantwortung des Rehabilitanden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 25.10.2007, L 5 KR 60/07).
In diesem Zusammenhang wird auf das Urteil des SG Stuttgart v. 14.2.2012 (S 16 KR 8187/09) verwiesen. Der Kläger erlitt im April 2007 einen Herzinfarkt, der durch eine Bypass-Operation versorgt wurde. Die Krankenkasse lehnte nach der Bewilligung des Rehabilitationssports aufgrund der Erstverordnung die weitere Kostenübernahme für Rehabilitationssport (Folgeverordnung) ab. Das Sozialgericht entschied, dass beim Kläger keine Behinderung mehr vorliege, die durch eine weitere Teilnahme am Rehabilitationssport zu beseitigen, zu mindern oder auszugleichen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme würden zum Zeitpunkt der Folgeverordnung keine gesundheitlichen Einschränkungen mehr bestehen. Der Kläger betreibe mittlerweile wieder regelmäßig selbständig Ausdauer- und Mannschaftssport. Er fahre täglich Fahrrad und lege dabei auch längere Strecken zurück. Zudem spiele er regelmäßig Volleyball. Eine Teilnahme am Rehabilitationssport in Gruppen sei für den Kläger deshalb nicht unentbehrlich. Er habe deshalb keinen Anspruch auf Versorgung mit Rehabilitationssport in Gruppen für weitere 2 Jahre. Das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung verpflichte die Krankenkasse nämlich nicht dazu, jede gewünschte, sinnvolle oder für optimal gehaltene Maßnahme zu gewähren. Vielmehr beschränke sich die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auf die nach objektiven Umständen notwendigen und wirtschaftlichen Leistungen. Notwendig sei dabei eine Leistung, die nach Art und Ausmaß zur Erreichung des Behandlungs- bzw. Rehabilitationszwecks zwangsläufig, unentbehrlich und unvermeidlich ist.
Der rehabilitative Zweck des Gemeinschaftserlebnisses ist besonders bei Sportarten nachvollziehbar, die ihrer Natur nach von mehreren Personen gemeinsam ausgeübt werden, wie z.B. Bewegungsspiele oder Rollstuhl-Basketball. Dies trifft auf Gymnastik nicht zu. Hier sind an die Darstellung der besonderen Bedeutung des Gemeinschaftserlebnisses hohe Anforderungen zu stellen (LSG Bayern, Urteil v. 28.6.2018, L 4 KR 395/14).
Der Grundsatz der Anschubfinanzierung gilt für den überaus größten Teil der Rehabilitanden. Wie das Maß des Notwendigen bei einem Menschen mit starker Behinderung, der wegen seiner Behinderung nicht an dem "normalen Breitensport" teilnehmen kann, einzuschätzen ist, ergibt sich aus Rz. 40 ff.
Rz. 36
In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es aufgrund der Rahmenvereinbarung seit dem 1.1.2011 einen Richtwert für die Dauer des Rehabilitationssports. Leistungen anderer Rehabilitationsträger, die im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Rehabilitationssport zulasten der Krankenversicherung stehen, werden auf diesen Richtwert angerechnet (Ziff. 4.4 Satz 3 der Rahmenvereinbarung).
Von dem Richtwert kann der Arzt bei der Verordnung von Rehabilitationssport aufgrund der individuellen Lage des Rehabilitanden nach unten als auch nach oben abweichen.
Rz. 37
Im Rahmen des Richtwertes beträgt der Leistungsumfang des Rehabilitationssports nach Ziff. 4.4 i. V. m. Ziff. 4.4.1 der Rahmenempfehlung 50 Übungseinheiten. Das bedeutet, dass der Versicherte mit einer Verordnung (in der Regel Vordruck Muster 56) 50 Übungseinheiten (Richtwert) in Anspruch nehmen kann. Diese Übungseinheiten können laut der Rahmenempfehlung innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten in Anspruch genommen werden. Der Anspruch endet mit Ablauf der 18-Monats-Frist auch dann, wenn der Versicherte noch keine 50 Übungseinheiten zulasten der Krankenversicherung absolviert hat. Auf der anderen Seite muss der Versicherte, der die Höchstzahl an Übungseinheiten in Anspruch genommen hat und aus medizinischen oder sonstigen Gründen (vgl. Rz. 33) weiterhin Rehabilitationssport benötigt, für eine medizinisch notwendige Folgeverordnung nicht bis zum Ablauf der 18 Monate warten, um erneut Rehabilitationssport zulasten der Krankenversicherung zu erhalten. Einzelheiten zu Folgeverordnungen und zu einem verlängerten Anspruch von 120 Übungsstunden: vgl. Rz. 39.
Rz. 38
Nach Ziff. 15.2 der Rahmenvereinbarung ist die Übertragung nicht genutzter Übungseinheiten auf einen späteren Ze...