2.14.1 Überblick
Rz. 69
Die längere Abwesenheit des Rehabilitanden von zu Hause beeinflusst i. d. R. erheblich die Psyche des Rehabilitanden und somit letztendlich auch den Rehabilitations-/Teilhabeerfolg. Um diesen nicht zu gefährden, bestimmen die Abs. 2 und 3, dass der Rehabilitand grundsätzlich ab einem bestimmten Zeitpunkt 2 Familienheimfahrten im Monat beanspruchen kann. Voraussetzung ist, dass der Rehabilitand wegen der Rehabilitations- bzw. Teilhabeleistung außerhalb seiner Wohnung untergebracht ist.
Rz. 70
Familienheimfahrten sind Fahrten des Rehabilitanden zum Wohnort der Familie bzw. zu dem Ort, an dem der Rehabilitand normalerweise seinen Lebensmittelpunkt hat. Dabei ist der Begriff der Familie weit auszulegen. Es müssen zu den Bezugspersonen, zu denen der Rehabilitand fährt, keine Ehegatten-, Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnisse bestehen. Möglich ist auch, dass der Rehabilitand während der Rehabilitation bzw. Teilhabeleistung seinen Lebensmittelpunkt und seine Bezugspersonen wechselt.
Nach Ansicht des Autors besteht auch dann ein Anspruch auf Familienheimfahrten, wenn ein alleinstehender Rehabilitand in seine eigene Wohnung fährt, in der er allein lebt. Zwar ist dieses dann keine "Familienheimfahrt" im Sinne des Wortlautes des Gesetzes, allerdings ist zu unterstellen, dass der Rehabilitand dort seine sozialen Kontakte in unmittelbarer Nähe hat und dass deshalb die Fahrt vom Sinn und Zweck her auf die Psyche des Rehabilitanden wie eine Familienheimfahrt wirkt.
Rz. 71
Kein Anspruch auf eine Familienheimfahrt besteht, wenn
- sich die Familienheimfahrt negativ auf den Gesundheitszustand des Rehabilitanden auswirken würde (z. B. Rückfallgefahr bei Abhängigkeitserkrankungen) oder
- der aktuelle Gesundheitszustand keine Familienheimfahrt zulässt (z. B. akute Erkrankung oder Einschränkung der Mobilität).
Darüber hinaus kommt eine Familienheimfahrt nur dann in Betracht, wenn der Rehabilitand ausreichend mobil ist. Kann eine Familienfahrt nur in Form eines Liegendtransports durchgeführt werden, kann davon ausgegangen werden, dass die Versorgung des Rehabilitanden während des Aufenthaltes bei den Bezugspersonen nicht ausreichend gesichert ist.
Rz. 72
Bestehen medizinische Gründe, den Rehabilitanden die ihm grundsätzlich zustehende Familienheimfahrt nicht antreten zu lassen, ist ersatzweise der Besuch eines oder mehrerer Familienangehöriger am Rehabilitationsort möglich (vgl. Rz. 78 ff.). Allerdings besteht dieser Anspruch nur, wenn der Besuch der Familie keine negativen Auswirkungen auf den Rehabilitationsprozess hat.
Rz. 73
Der Anspruch auf Familienheimfahrten besteht nach dem Gesetzeswortlaut des § 73 Abs. 2 im Regelfall zweimal im Monat (nicht: Kalendermonat). Ansprüche auf Familienheimfahrten, die im abgelaufenen Monat nicht umgesetzt wurden, verfallen nicht.
Aus der Formulierung "im Regelfall" folgt, dass in atypischen Fällen ein Abweichen nach oben oder unten möglich sein soll. Dabei ist die Entscheidung, ob ein atypischer Fall vorliegt, nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern dieser vorgelagert und von den Gerichten voll überprüfbar. Ein atypischer Fall liegt vor, wenn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls eine signifikante Abweichung zum Normalfall vorliegt. Begründet kann dies etwa sein durch stark erhöhte Fahrkosten wegen der Entfernung vom Wohnort zum Ort der Maßnahme oder durch pflegebedürftige Angehörige im Haushalt, was erhöhte Präsenz erforderlich macht (vgl. LSG Thüringen, Urteil v. 9.5.2018, L 12 R 1304/15).
In einem Zeitraum von einem Jahr werden die Kosten im Regelfall für höchstens 24 Familienheimfahrten übernommen. Diese sollten nach Möglichkeit zeitlich aufgeteilt und im Interesse des Rehabilitanden unter Einschluss eines Wochenendes oder in Verbindung mit Feiertagen in Anspruch genommen werden. Bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben orientiert sich die Verteilung der Familienheimfahrten zusätzlich an dem Ausbildungs- und Ferienplan der Ausbildungsstätte. Das ist sinnvoll, denn wenn die Weihnachtsferien der Ausbildungsstätte z. B. am Mittwoch vor Heiligabend beginnen, sollte i. d. R. wegen der Begrenzung auf zwei Familienfahrten im Monat nicht noch eine Familienheimfahrt am vierten Adventswochenende stattfinden.
Familienheimfahrten im Rahmen der Ferien der Ausbildungsstätte sowie zu Ostern, Pfingsten, Weihnachten oder anlässlich der Ferien werden auf die Gesamtzahl der höchstens 24 jährlichen Familienheimfahrten angerechnet. Dasselbe gilt für Familienheimfahrten bei Erkrankung des Rehabilitanden sowie bei Unterbrechung der Rehabilitations- bzw. Teilhabeleistung aus anderen Gründen.
Die Kosten einer Familienheimfahrt können vom Rehabilitationsträger im Falle des Todes oder einer lebensbedrohenden Erkrankung der Ehegatten, Kinder, Eltern, Schwiegereltern, Geschwister oder Haushaltsführers des Rehabilitanden bereits übernommen werden, wenn noch kein oder noch kein neuer Anspruch auf eine Familienheimfahrt besteht. Allerdings kann der Rehabilitationsträger im Rahmen seines Ermessens d...