rechtskräftig: ja
Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Anordnung. Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung. Aufhebung einer einstweiligen Anordnung in Beschwerdeverfahren bei unterbliebener Vollstreckung. Monatsfrist
Leitsatz (amtlich)
Zur Unstatthaftigkeit der Vollziehung einer einstweiligen Anordnung und Aufhebung der einstweiligen Anordnung im Beschwerdeverfahren, wenn die Vollstreckung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO eingeleitet worden ist.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 2 S. 4; ZPO § 929 Abs. 2
Verfahrensgang
SG Schleswig (Beschluss vom 26.07.2006; Aktenzeichen S 7 AS 577/06 ER) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird derBeschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Juli 2006 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2006 hat das Sozialgericht Schleswig die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Regelleistungen für die Zeit vom 7. Juli 2006 bis zum 30. September 2006 ohne Anrechnung des Einkommens ihres Vaters zu gewähren. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin am 21. Juli 2006 bzw. ihren Bevollmächtigten am 28. Juli 2006 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat am 4. August 2006 Beschwerde erhoben und den Beschluss nicht umgesetzt, obwohl das Sozialgericht Schleswig mit Beschluss vom 15. August 2006 die Vollstreckbarkeit des Beschlusses nicht ausgesetzt hatte. Die Antragstellerin ihrerseits hat die Vollstreckung aus dem Beschluss nicht beantragt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Juli 2006 ist aufzuheben, denn er ist nicht innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe vollzogen bzw. die Vollziehung ist nicht einmal eingeleitet worden. Dies folgt aus § 929 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf eine einstweilige Anordnung entsprechend anwendbar ist. Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung eines Arrestbefehls – hier der einstweiligen Anordnung – unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Juli 2006 ist der Antragstellerin persönlich am 21. Juli 2006 und ihren Prozessbevollmächtigten am 28. Juli 2006 zugestellt worden. Die Antragstellerin hätte somit spätestens am 28. August 2006 die Vollstreckung einleiten müssen. Das ist nicht erfolgt. Nicht darauf abzustellen ist, wann der Vollstreckungsgläubiger feststellt, dass der Vollstreckungsschuldner tatsächlich den Beschluss nicht befolgen will. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass im Falle einer Vollstreckung gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft der Erwartung Rechnung getragen werden müsse, diese werde, da sie nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an Recht und Gesetz gebunden ist, dem Ausspruch des Sozialgerichts nachkommen (vergl. zu § 123 Abs. 3 VwGO: OVG Lüneburg, Beschl. v. 8. Dezember 1987 – 6 B 90/87 –). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, denn eine solche Betrachtungsweise übersieht, dass damit die Frist nicht mehr einheitlich und präzise bestimmt werden kann und dass § 929 Abs. 2 ZPO im Wortlaut eindeutig ist (so auch Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 7. September 2004 – 10 TG 1498/04 –; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 13. März 2003 – 4 C 03.640).
§ 929 Abs. 2 ZPO ist auch bei der Vollstreckung gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens anzuwenden. Die Regelung des § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, die auf diese Vorschrift verweist, ist eindeutig. Der Gesetzgeber hat damit bestimmt, dass auch Vollstreckungen einstweiliger Anordnungen innerhalb der Monatsfrist eingeleitet werden müssen (so auch die zuvor zitierte Rechtsprechung; ebenso: Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 46; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 14. Aufl. 2005, § 123 Rdnr. 40; Schl.-Holst. Landessozialgericht, Beschl. v. 29. November 2004 – L 1 B 146/04 KR ER). Folge dieser Regelung ist, dass die Vollziehung der einstweiligen Anordnung unstatthaft ist und diese ihren Regelungsgehalt verloren hat. Demzufolge ist die Anordnung nach Fristablauf aufzuheben (Kopp/Schenke, a.a.O., § 123, Rdnr. 40; Hartmann in: Baumbach/Lautenbach/Albers/Hartmann Zivilprozessordnung, 65. Aufl. 2007, § 929 Rdnr. 8).
Zwar bleibt es einem Antragsteller grundsätzlich unbenommen, eine erneute einstweilige Anordnung zu erwirken. Für einen solchen Antrag ist jedoch nicht das erkennende Gericht, sondern das Eingangsgericht zuständig.
Bei der Kostenentscheidung berücksichtigt der Senat den Umstand, dass dieser Beschluss keine Entscheidung über die Recht...