Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten bei jungen Erwachsenen vor Vollendung des 25. Lebensjahres. vorherige Zusicherung bei Erstauszug aus Elternhaushalt
Leitsatz (amtlich)
Für junge Erwachsene unter 25 Jahren besteht hinsichtlich der Bewertung des angemessenen Wohnraums nach § 22 Abs 2 SGB 2 ein Unterkunftsbedarf, der sich an den Gewohnheiten von Schülern, Studenten und Auszubildenden dieser Altersgruppe mit geringen finanziellen Mitteln orientiert.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 31. August 2009 aufgehoben und der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin …, K., bewilligt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.
Der 1990 geborene Antragsteller zog Ende Juli 2009 von seiner Mutter aus B. zur Aufnahme eines Praktikums zu seinem Vater und dessen sechsköpfiger Familie mit Zustimmung der ARGE B. nach K. um. Nachdem der Antragsteller am 27. Juli 2009 beim Antragsgegner Arbeitslosengeld II für die Zeit ab dem 1. August 2009 beantragt hatte, legte der Antragsteller dem Antragsgegner am 29. Juli 2009 ein Mietangebot für eine Wohnung am K.-S.-Platz 1 vor, wobei die Bruttokaltmiete 301,50 EUR und die Mietkaution 694,47 EUR betragen sollte. Der Antragsgegner verweigerte die Zustimmung zur Anmietung der Wohnung mit der Begründung, dass in K. die Mietobergrenze für junge Erwachsene unter 25 Jahren 205,00 EUR brutto warm betrage. Es seien keine Gründe ersichtlich, von der Mietobergrenze abzusehen und stattdessen die sich am K.er Mietspiegel 2008 orientierende Mietobergrenze für Ein-Personen-Haushalte in Höhe von 301,50 EUR heranzuziehen. Nach Aufforderung durch das daraufhin vom Antragsteller angerufene Sozialgericht Schleswig hat der Antragsgegner 16 Mietangebote für einzelne Zimmer in Wohnungen bzw. Wohngemeinschaften übermittelt.
Das Sozialgericht Schleswig hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 31. August 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller eine Zusicherung für den Abschluss eines Mietvertrages für die betreffende Wohnung K.-S.-Platz 1 in K. zu erteilen und dem Antragsteller die Mietkaution in Höhe von 694,47 Euro als Darlehen zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Annahme einer Mietobergrenze für unter 25-jährige Hilfeempfänger begegne erheblichen rechtlichen Bedenken. Dem Wortlaut des § 22 Abs. 2a SGB II ließen sich keine weiteren Einschränkungen hinsichtlich einer abweichenden Beurteilung der Angemessenheit der insoweit maßgeblichen Kosten der Unterkunft entnehmen. Darüber hinaus dürfte ein Hilfebedürftiger grundsätzlich Anspruch auf eine nur von ihm bewohnte Wohnung haben und könne nicht auf das Zusammenleben mit Fremden, etwa in einer Wohngemeinschaft, verwiesen werden. Davon abgesehen habe der Antragsgegner nicht nachgewiesen, dass zu der von ihm als angemessen zu Grunde gelegten Miete konkret ausreichend Wohnraum vorhanden sei. Der vom Antragsgegner durch eingereichte Mietangebote dargelegte Wohnraum stehe dem Antragsteller überwiegend nicht zur Verfügung.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts richtet sich die am 8. September 2009 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners. Der Antragsgegner geht weiterhin von der Rechtmäßigkeit der von ihm herangezogenen Mietobergrenze aus. Dieser liege der Gedanke zugrunde, dass junge Erwachsene ohne Ausbildung, die noch nicht wirtschaftlich nachhaltig auf eigenen Füßen gestanden und deshalb keinen eigenen Hausstand hätten, im Falle der Bedürftigkeit nur angemessene Unterkunftskosten für ein möbliertes Zimmer, nicht aber für eine vollständige Wohnung beanspruchen könnten. Dies beruhe auf der Anschauung, dass sich in jungem Alter einen eigenen Hausstand nur leisten könne, wer dies aus eigenen Kräften zu bewerkstelligen vermöge. Hilfe der Allgemeinheit zur Erlangung eines eigenen Hausstandes benötige danach nur, wem es auch in einem fortgeschrittenen Alter nicht gelungen sei, sich wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt bestehe in der Regel keine Abhängigkeit vom Elternhaus und von der Ausbildungszeit mehr.
Mit Beschluss vom 16. September 2009 hat der Senat die Vollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss ausgesetzt.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss die sich aus der gesetzlichen Regelung des § 86b Abs. 2 SGG ergebenden Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung genannt. Hierbei handelt es sich einerseits um den Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der Anordnung, andererseits um den Anordnungsanspruch, d.h. einen gewissen Grad an Sicherheit, dass der materielle Anspruch besteht. ...