Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Tilgungskosten für selbstgenutztes Wohneigentum im Rahmen der Kosten der Unterkosten

 

Orientierungssatz

1. § 22 SGB 2 schützt die Wohnung als räumlichen Mittelpunkt und nicht den Erhalt und Ausbau von Immobilienwerten. Die Vorschrift schließt aber die Berücksichtigung von Tilgungsraten für selbstgenutzten Wohnraum nicht generell aus. Voraussetzung ist bei einer Eigentumswohnung zunächst, dass es sich hinsichtlich ihrer Größe um eine angemessene Wohnung handelt.

2. Das Arbeitslosengeld 2 soll den Lebensunterhalt sichern und nicht der Vermögensbildung dienen. Der Gesichtspunkt der Vermögensbildung hat zurückzutreten, wenn ohne Fortführung der Tilgung die Aufgabe der Wohnung unvermeidlich wäre. Finanzierungskosten und Tilgungsleistungen können aber nur bis zu der Höhe übernommen werden, die der Grundsicherungsträger auch bei einer angemessenen Mietwohnung zu tragen hätte.

3. Dies alles hat keine Gültigkeit für den Fall, dass der Hilfebedürftige bisher in einer deutlich günstigeren Wohnung zur Miete gelebt und seine Eigentumswohnung vermietet hat. Weil er sie selbst nicht bewohnt hat, gehört sie nicht zum Schonvermögen. Im Falle des Umzugs in eine bisher nicht selbst bewohnte eigene Wohnung geht es primär um den Erhalt des Vermögenswertes der Immobilie.

4. Das steuerfinanzierte Grundsicherungssystem des SGB 2 hat dann nicht Tilgungskosten zu tragen, wenn die Kosten der Unterkunft bei einer während des Leistungsbezugs bisher bewohnten zumutbaren Mietwohnung niedriger sind und neben dem Erhalt des Vermögensgegenstandes nicht andere gewichtige Gründe für den Umzug sprechen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 17. September 2010 aufgehoben und der Eilantrag abgelehnt.

Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Helge H..., H... Straße ..., 2... K... bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Tilgungskosten für selbstgenutztes Wohnungseigentum im Rahmen der Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).

Der 1959 geborene Antragsteller ist seit 1998 Eigentümer einer 41 qm großen Wohnung in O... mit einem von ihm angegebenen Verkehrswert von 60.000,00 EUR bei Belastungen von 55.000,00 EUR (Antrag vom 18. Juli 2010, Anlage VM). Die Belastung besteht in einer Grundschuld von ursprünglich 110.000,00 DM, die im Grundbuch zugunsten der Sparkasse eingetragen ist. Finanziert wurde die Wohnung u. a. durch einen Bausparvertrag bei der LBS mit einer Darlehenssumme von rund 54.000,00 EUR. Im Oktober 2009 betrug die Darlehensschuld noch über 24.000 EUR. Der mit der LBS vereinbarte “Zins- und Tilgungsplan„ vom 15. Oktober 2009 sieht einen Zins- und Tilgungsbeitrag von kontinuierlich 323,62 EUR monatlich vor, wobei der Zinsanteil absinkt und der Tilgungsanteil ansteigt. So betrug der Zinsanteil im November 2009 91,07 EUR bei einem Tilgungsanteil von 232,55 EUR; im November 2010 betrug der Zinsanteil 80,83 EUR bei einem Tilgungsanteil von 343,19 EUR monatlich.

Der Antragsteller hatte die von ihm ursprünglich nicht bewohnte Wohnung bis Juli 2010 für einen Mietzins von 435,00 EUR monatlich vermietet.

Seit 2003 ist der Antragsteller selbstständig (Dienstleistungen im Haushalt- und Hausmeisterservice). Seine Betriebsstätte befand sich zunächst zusammen mit seinem Wohnsitz in M... Seit März 2010 bezieht er von der Antragsgegnerin vorläufige Leistungen nach dem SGB II. Eine Einkommensanrechnung erfolgte zunächst nicht. Bei den Leistungen berücksichtigte die Antragsgegnerin für die Wohnung in M... in der Zeit von März bis Juli 2010 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 84,81 EUR ausgehend von Gesamtkosten für die Unterkunft in Höhe von 120,00 EUR monatlich und unter Abzug von Strom- und Warmwasserkosten. Die Bescheide vom 25. Juni und 6. April 2010 enthalten den Hinweis, dass die Bewilligung der Leistungen darlehensweise erfolge, da die Eigentumswohnung in O... verwertbares Vermögen des Antragstellers darstelle, das jedoch noch nicht sofort verwertet werden könne.

Im Juli 2010 beantragte der Antragsteller Leistungen unter Berücksichtigung der Kosten für die Eigentumswohnung in O... Er teilte gleichzeitig mit, dass er seinen Wohn- und Geschäftssitz verlegen werde, um seine dortige Eigentumswohnung selbst zu nutzen. Der Umzug erfolgte zum 1. August 2010 Die Antragsgegnerin bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 20. Juli 2010 für die Zeit vom 1. August 2010 bis 31. Januar 2011 Leistungen in Höhe von 516,76 EUR unter Anrechnung von Einkommen. Hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung setzte sie monatliche Leistungen in Höhe von 225,70 EUR unter Berücksichtigung aller geltend gemachten Kosten (darunter Heizkosten von 65,93 EUR) mit Ausnahme der Tilgungsleistungen fest.

Der Antragsteller wies in seinem dagegen erhobenen Widerspruch vom 3. August 2010 darauf hin, dass...

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