Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung eines Bescheides des Zulassungsausschusses für Ärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Überweisungspraxis
Orientierungssatz
1. Erteilt der Zulassungsausschuss für Ärzte einem Vertragsarzt die Ermächtigung zur Durchführung von Untersuchungen nach konkreten Gebührenziffern des EBM ohne einen weiteren Genehmigungsvorbehalt, so dürfen die entsprechenden Leistungen ohne weitere Voraussetzungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und abgerechnet werden.
2. Selbst ein rechtswidriger Bescheid des Zulassungsausschusses, sofern er nicht nichtig ist, entfaltet rechtliche Wirkung.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2007 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Antragsteller aufgrund des Beschlusses des Beigeladenen zu 1) vom 12. April 2007 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens S 15 KA 91/07, längstens bis zum 31. Dezember 2008 berechtigt ist, Leistungen nach den EBM-Ziffern 19310 bis 19312 und 19320 einschließlich der Entnahmetechniken im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen und abzurechnen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Antragstellers, vorläufig Leistungen aufgrund einer ihm von dem Beigeladenen zu 1) erteilten Ermächtigung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen und abzurechnen.
Der Antragsteller ist Assistenzarzt am Zytologischen Labor des Krankenhauses G. GmbH. Er ist Facharzt für innere Medizin mit der anerkannten Subspezialisierung “Pulmologie„. Er verfügt außerdem über einen Befähigungsnachweis “Zytologie des Respirationstraktes„. Erstmals mit Wirkung zum 1. Januar 1994 wurde er durch den Zulassungsausschuss für Ärzte in Schleswig-Holstein ermächtigt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Überweisungspraxis zur Durchführung von zytologischen Untersuchungen im Zusammenhang mit pulmologischer Diagnostik nach den Gebührenziffern 4852, 4855, 4860 sowie 74 BMÄ bzw. I-GO einschließlich der Entnahmetechniken. Die Ermächtigung wurde seitdem mehrfach verlängert, nach Änderung des EBM-Ä nunmehr bezogen auf die Leistungsziffern 4952, 4955 und 4960. Die letzte Ermächtigung war befristet bis zum 31. Dezember 2006. Mit Schreiben des Zulassungsausschusses vom 19. April 2005 wurde die Ermächtigung angepasst an den EBM 2000 plus; sie beinhaltete nunmehr die Leistungsziffern 19310, 19311, 19312 und 19320.
Durch Bescheid vom 8. Februar 2007 (Beschluss vom 6. Dezember 2006) verlängerte der Zulassungsausschuss auf Antrag die Ermächtigung des Antragstellers bis zum 31. Dezember 2008. Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, nach den durchgeführten Ermittlungen - der Zulassungsausschuss hatte Stellungsnahmen niedergelassener Pathologen und Pulmologen/Pneumologen eingeholt - sei er zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verlängerung der Ermächtigung des Antragstellers erforderlich sei, damit die zugelassenen Vertragsärzte auf seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen im Rahmen der Durchführung der speziellen zytologischen Leistungen im Zusammenhang mit pneumologischer Diagnostik zurückgreifen könnten. Die Verlängerung der Ermächtigung sei aufgrund der hohen fachlichen Kompetenz des Antragstellers erforderlich. Es handele sich hierbei um einen eindeutigen qualitativen Bedarf, der sich in dem hohen Spezialwissen des Antragstellers verbunden mit seiner hohen Kompetenz ausdrücke. Es werde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller Leistungen im Rahmen seiner Ermächtigung nur durchführen und abrechnen könne, sofern der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein hierfür eine entsprechende Genehmigung nach der ergänzenden Vereinbarung zur Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes erteile.
Hiergegen erhob die Antragsgegnerin Widerspruch. Der Zulassungsausschuss habe den Antragsteller für Leistungen aus dem Kapitel 19 EBM ermächtigt, obwohl er selbst erkannt habe, dass es sich hierbei um Leistungen aus dem Kapitel Pathologie handele, die für Fachärzte für innere Medizin nicht abrechenbar seien.
Durch Beschluss vom 12. April 2007 (Bescheid vom 4. Juni 2007) wies der Beigeladene zu 1) den Widerspruch zurück und ordnete den Sofortvollzug der Ermächtigung an. Der Antragsteller habe unwidersprochen unter Hinweis auf den Umfang der von ihm durchgeführten zytologischen Untersuchungen geltend gemacht, er sei - neben einem Kollegen in F. - einer der führenden Spezialisten für die entsprechenden zytologischen Prüfungen. Leistungen nach EBM 19310 bis 19312 und 19320 seien Arztgruppen spezifische Leistungen aus dem Bereich Pathologie. Nach 19.1.1 EBM könnten diese Leistungen ausschließlich von Fachärzten für Pathologie, Fachärzten für Neuropathologie und Vertragsärzten, die gemäß Präambel zu ihren Kapiteln zur Abrechnung von Leistungen dieses Kapitels berechtigt seien, berechnet werden. De...