rechtskräftig: ja
Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstanzeige eines Richters. Befangenheit. Bekanntschaft. Erklärung
Leitsatz (amtlich)
Zur selbstanzeige eines richters nach § 60 sgg i. V. M. § 48 zpo u. A. Mit der eigenen erklärung, dass er sich für befangen halte und ihm eine unparteiische behandlung der klage nicht möglich sei.
Normenkette
ZPO § 48; SGG § 60; ZPO §§ 41-42; DRiG § 38
Verfahrensgang
SG Kiel (Aktenzeichen S 12 SB 28/07) |
Tenor
Die Selbstanzeige des Richters am Sozialgericht … in dem Klageverfahren S 12 SB 28/07 ist nicht begründet.
Tatbestand
I.
In dem Klageverfahren S 12 SB 28/07 begehrt die Klägerin die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) von zumindest 70.
Die Klägerin hat am 29. Januar 2007 Klage erhoben.
Über die Klage hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Kiel zu entscheiden. Vorsitzender dieser Kammer ist Richter am Sozialgericht ….
Mit Schreiben vom 19. Februar 2007 hat Richter am Sozialgericht … gemäß § 60 SGG in Verbindung mit § 48 ZPO angezeigt, dass er sich für befangen halte.
Er kenne die Klägerin persönlich schon seit der Rechtspflegerausbildung. Sie sei seine Ausbilderin gewesen. In der Zeit danach – insbesondere während des Studiums – habe eine kollegial-freundschaftliche Beziehung bestanden. Zwar bestehe aktuell kein Kontakt mehr. Gleichwohl sei ihm eine unparteiische Behandlung der Klage nicht möglich.
Die Klägerin hat bestätigt, dass sie den Richter kenne. Allerdings bestehe schon seit Jahren tatsächlich kein Kontakt mehr. Allein aufgrund des Umstandes, dass sie Ausbilderin des Richters einmal vor vielen Jahren gewesen sei, dürfte aus ihrer Sicht noch keinen Befangenheitsgrund darstellen.
Das beklagte Land hat sich zu der Anzeige vom 19. Februar 2007 nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Anzeige von Richter am Sozialgericht … vom 19. Februar 2007 ist nicht begründet.
Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen die §§ 41 bis 44, 45 Abs. 2 Satz 2, §§ 47 bis 49 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend.
Nach § 48 ZPO ist über die Befangenheit eines Richters auch dann zu entscheiden, wenn ein Ablehnungsgesuch (von den Verfahrensbeteiligten) nicht angebracht (worden) ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.
Damit wird auf die Ausschließungsgründe des § 41 ZPO und den Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO verwiesen.
Das zur Entscheidung über die Anzeige nach § 48 ZPO zuständige Gericht – hier das Landessozialgericht (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGG) – hat darüber zu entscheiden, ob die Anzeige rechtlich bedeutsame Gründe für einen Ausschluss von der (weiteren) Ausübung des Richteramtes (§ 41 ZPO) oder für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO) enthält.
Aus der Anzeige vom 19. Februar 2007 ergeben sich keine Gründe, die einer weiteren Ausübung des Richteramtes durch … in dem konkreten Klageverfahren entgegenstehen.
Es liegt keiner der Ausschließungsgründe des § 41 ZPO vor. Dies bedarf keiner weiteren Begründung.
Auch die Voraussetzungen einer Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 1, Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt.
Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO).
Ein die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigender Grund liegt nur vor, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (LSG München, Beschl. v. 27. Juli 2000 – L 5 AR 126/00 KR –, zitiert nach juris); es muss ein objektiv vernünftiger Grund gegeben sein, der die Partei von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen muss, der Richter werde in dem konkreten Verfahren nicht sachlich entscheiden (siehe Hartmann in Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, Kommentar, 65. Aufl. 2007, § 42 Rdn. 10; siehe auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2005, § 60 Rdn. 7; Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 42 Rdn. 20: „… alle Fälle unsachlichen, auf Voreingenommenheit oder Willkür hindeutenden Verhaltens…”). Bei dieser Beurteilung kommt es weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des Richters, ob er befangen sei oder nicht (LSG München, a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5. November 1998 – 14 W 58/98 – MDR 1999, 956; BFH, Beschl. v. 23. September 2004 – IX B 98/04 –, zitiert nach juris).
Bei einer objektiven Beurteilung...