Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Übergangsregelung während der Corona-Pandemie. Angemessenheitsfiktion. Sonderregelung kein Sonderrecht. Umzug in eine unangemessene Unterkunft ohne Zusicherung während des Leistungsbezuges. keine Übernahme unangemessener Kosten der Unterkunft bei Neuanmietung
Leitsatz (amtlich)
Für Neuanmietungen im Leistungsbezug ist auch während der pandemischen Situation eine präventive Kostenkontrolle nach § 22 Abs 4 SGB II vorgesehen, es gilt damit ein anderes Regelungskonzept als bei bewohntem Wohnraum. Sowohl aus der Systematik des § 67 Abs 3 SGB II, als auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung ist zu folgern, dass diese Vorschrift Neuanmietungen nicht erfasst.
§ 67 SGB II schafft vorübergehende Sonderregelungen für Teilbereiche, sie dient nicht dazu, die allgemeinen Grundsätze des Grundsicherungsrechts krisenbedingt - im Sinne eines Sonderrechts der Pandemie - außer Kraft zu setzen (vgl LSG Schleswig vom 11.11.2020 - L 6 AS 153/20 B ER = juris RdNr 4).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 9. März 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Sozialgericht Kiel ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt H, K, beigeordnet.
Gründe
Die Antragstellerin wohnte zunächst in Bayern und kam wegen einer von ihr als gewalttätig beschriebenen häuslichen Beziehung zu Herrn T bei einer Freundin in Schleswig-Holstein (Kreis Rendsburg-Eckernförde) mietfrei unter. Für diese Zeit wurden ihr Leistungen T nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) ohne Kosten der Unterkunft bewilligt.
Am 25. November 2021 fand ein telefonisches Beratungsgespräch zwischen der Antragstellerin und einem Sachbearbeiter der Antragsgegnerin statt. Gegenstand war gemäß dem Beratungsvermerk, dessen Inhalt auch von der Antragstellerin nicht bestritten wird, ein von der Antragstellerin auszugsweise eingereichtes Mietangebot für eine 2-Zimmer-Wohnung in der I Straße in Kiel. Die Kosten dieser Wohnung beliefen sich auf eine Grundmiete von 421,00 €, kalte Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 120,00 € und Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 59,00 € monatlich. Hierzu gab die Antragsgegnerin die Auskunft, dass dieses Mietangebot die Mietobergrenze um 144 € überschreite, weshalb diesem nicht zugestimmt werden könne. Die Antragstellerin teilte daraufhin mit, dass sie damit grundsätzlich nicht einverstanden sei und sie die Wohnung dennoch anmieten werde, da die Antragsgegnerin wegen der Corona-Sonderregelungen in diesen Fällen ohnehin für Dezember und weitere sechs Monate die Miete zahlen müsse.
Zum 1. Dezember 2021 mietete Herr T in Kiel diese Wohnung in der I Straße als Hauptmieter an. Vereinbart wurde eine Kaution von 1.263,00 € und eine Staffelmiete (nettokalt) ansteigend bis 481,00 € im Jahr 2028. Die Antragstellerin mietete von dem Hauptmieter T mittels Untermietvertrag diese Wohnung zu diesen Konditionen an. Weitere Wohnungsangebote wurden nicht vorgelegt.
Mit Bescheid vom 14. Januar 2022 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.12.2021 bis 30.11.2022 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung der in Kiel geltenden Mietobergrenze in Höhe von 397,00 € brutto-kalt für einen Einpersonenhaushalt. Die Differenz zur tatsächlichen Bruttokaltmiete von 541,00 € - mithin monatlich 144,00 € - erkannte der Antragsgegner nicht als Unterkunftskosten an. Zur Begründung verwies der Antragsgegner darauf, dass die Antragstellerin „ohne Zustimmung des Jobcenters umgezogen“ sei. Deswegen könnten Kosten der Unterkunft lediglich bis zur Mietobergrenze von 397,00 € bruttokalt anerkannt werden. Gegen den Bewilligungsbescheid vom 14. Januar 2022 wandte sich die Antragstellerin mit Widerspruch vom 01. Februar 2022, über den noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerin hat am 22. Februar 2022 um Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Kiel wegen der nicht gedeckten Unterkunftskosten nachgesucht.
Mit Beschluss vom 9. März 2022 hat das Sozialgericht Kiel diesen Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sei. Ein solcher folge insbesondere nicht aus § 22 Abs. 1 und 4 SGB II i.V.m. § 67 Abs. 3 SGB II. Die gesetzliche coronabedingte Fiktion der Angemessenheit der Unterkunftskosten iSd § 22 Abs. 1 SGB II gelte nach dem Zweck der Regelung nicht bei neu angemieteten Wohnungen, zumindest dann, wenn dies unabhängig von der Pandemie erfolgt sei. Aus § 67 Abs. 3 Satz 1 und 3 SGB II sei zu folgern, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift nur bei pandemiebedingten Notlagen eröffnet sei.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 9. März 2022 zugestellten Beschluss am 9. März 2022 Beschwerde vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben. Die Beschwerde sei zulässig, da jedenfalls von einem angestrebten Regelungszeitraum v...