Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Analogleistung. Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsausschluss für Auszubildende. Vorliegen eines besonderen Härtefalles. Ungleichbehandlung mit Leistungsberechtigten nach dem SGB 2. sachliche Rechtfertigung
Leitsatz (amtlich)
Zum Ausschluss sog Analogleistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27ff SGB XII während einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung.
Orientierungssatz
1. Zum unbestimmten Rechtsbegriff des "besonderen Härtefalles" in § 22 Abs 1 S 2 SGB 12.
2. Eine Ungleichbehandlung der nach § 2 AsylbLG anspruchsberechtigten Asylbewerber im Verhältnis zu den nach dem SGB 2 dem Grunde nach Leistungsberechtigten dürfte bereits in den unterschiedlichen Zwecken des AsylbLG einerseits sowie des SGB 2 andererseits eine hinreichende Rechtfertigung finden.
Normenkette
AsylbLG § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1; SGB XII § 22 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 Nrn. 1-3, §§ 27, 82 Abs. 2-3; SGB II § 7 Abs. 5, § 27 Abs. 4 S. 1; SGB III §§ 51, 57-58, 60, 62 Abs. 1; BAföG § 2 Abs. 1a, § 10 Abs. 3; BaföG § 12 Abs. 1 Nr. 1; BeschV § 32 Abs. 5 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1; 9. Gesetz zur Änderung des SGB II Art. 3 Abs. 8; 9. Gesetz zur Änderung des SGB II Art. 3 Abs. 9; SGG § 73a Abs. 1 S. 1, § 86b Abs. 2 S. 2; ZPO § 119 Abs. 1 S. 2, §§ 114-115
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 14. August 2017 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Antragstellers sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ab Antragstellung Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i.V.m. den §§ 27 ff. Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII).
Der am …1984 geborene Antragsteller irakischer Staatsangehörigkeit reiste am 7. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Ihm wurde eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens ausgestellt.
Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller zunächst Leistungen nach § 3 AsylbLG sowie mit Bescheiden vom 20. und 26. Dezember 2016 ab dem 1. November 2016 sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, zuletzt mit Bescheid vom 10. Mai 2017 in Höhe von 625,69 Euro unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs in Höhe von 409,00 Euro (abzüglich Stromkosten in Höhe von 13,31 Euro) sowie eines Unterkunftsbedarfs in Höhe von 190,00 Euro zuzüglich Heizkosten in Höhe von 40,00 Euro.
Nachdem der Antragsteller dem Antragsgegner am 10. Mai 2017 einen auf den 4. Mai 2011 datierten Berufsausbildungsvertrag vorgelegt hatte, der eine Ausbildung zum Koch ab dem 1. August 2017 im Café und Restaurant “D…„ in W... mit einer Ausbildungsvergütung in Höhe von 560,00 Euro brutto im ersten Lehrjahr vorlegte, teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 4. Juli 2017 mit, dass Leistungen nach dem AsylbLG zum Ablauf des 31. Juli 2017 entfielen, da die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 AsylbLG nicht mehr vorlägen.
Mit seinem hiergegen durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28. Juli 2017 erhobenen Widerspruch machte der Antragsteller geltend, schon nach Auffassung des Innenministeriums Schleswig-Holstein in dessen Erlass vom 10. Mai 2017 sei der frühzeitige Zugang von Asylsuchenden zu Ausbildung und Arbeit zu fördern. Dies liege nicht nur im Interesse des Einzelnen, sondern auch der Gesellschaft selbst, weil nur so das notwendige Existenzminimum gesichert werden könne. Ein Verzicht auf die Ausbildung oder deren Fortsetzung verursache nicht nur unnötige Sozialleistungen, sondern sei außerdem als integrationsschädlich anzusehen. Durch die Versagung von ergänzenden Leistungen sei er bereits jetzt in existenzielle Not geraten.
Der Antragsteller hat am 28. Juli 2017 unter Wiederholung seines Vortrags im Widerspruchsverfahren den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Der Antragsteller sei gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m § 22 SGB XII von Leistungen nach dem AsylbLG ausgeschlossen. Die betriebliche Ausbildung des Antragstellers sei im Sinne der §§ 51, 57 und 58 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III), dem Grunde nach förderungsfähig. Eine der in § 22 Abs. 2 SGB XII genannten Ausnahmen vom Leistungsausschluss liege nicht vor, auch keine besondere Härte nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Im Erlass des Innenministeriums vom 10. Mai 2017 werde den Kommunen freigestellt, eine Härte in den Fällen anzunehmen, in denen Asylbewerber aus einem sicheren Herkunftsland kämen bzw. deren Bleibeperspektive offen sei. Diese Personen seien nach derzeitiger Rechtslage nicht berechtigt, ausbildungsfördernde Leistungen zu beziehen. Dies gelte allerdings nicht für den Antragsteller, der aus dem Irak komme. Der Irak sei kein sicheres Herkunftsland. Der Antragsteller müsse also auch Anspruch auf Leistungen nach SG...