Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. räumlicher Vergleichsmaßstab. Produkttheorie. angemessene Unterkunftskosten für 1-Personen-Haushalt in Kiel. Wohnflächengrenze. Mietspiegel. Mietobergrenze. Unterteilung nach Baualtersklassen. verfassungskonforme Auslegung. Kostensenkungsaufforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Landeshauptstadt Kiel ist für eine Person eine Bruttokaltmiete von 273,- € für den Zeitraum Frühjahr 2008 angemessen.
2. Für eine Einzelperson ist eine Wohnungsgröße ab 35 qm grundsätzlich zumutbar.
Orientierungssatz
1. Der Senat hat keine Bedenken, als räumlichen Vergleichsmaßstab und soziales Wohnumfeld das gesamte Gebiet der Stadt Kiel zugrunde zu legen.
2. Besteht ein Mietspiegel, ist die angemessene Miete daraus zu ermitteln. Dieser zeigt die Mietpreisspannen des Mietmarktes auf. Die Ableitung der abstrakt angemessenen Miete aus früheren, weit zurück liegenden Mietspiegeln ist nicht zulässig.
3. Bei der Bestimmung der abstrakten Mietobergrenze ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Angemessenheit des Wohnraums um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt (vgl BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R und LSG Berlin-Potsdam vom 24.4.2009 - L 32 AS 923/07).
4. Eine Unterteilung der Mietobergrenze nach Baualtersklassen ist nicht zulässig. Einen sachlichen Grund, nach sog Baualtersklassen zu differenzieren und bei neuren Bauten eine höhere Mietobergrenze anzunehmen, besteht nicht (vgl BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R).
5. Ein Hilfebedürftiger kann sich nicht auf eine Kostensenkungsaufforderung berufen, wenn diese zu unbestimmt ist (vgl LSG Schleswig vom 22.1.2008 - L 11 B 304/08 AS ER und vom 24.6.2008 - L 11 B 348/08 AS ER).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 6. August 2008 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen der Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII).
Die am .. …… 1941 geborene Klägerin beantragte am 20. April 2006 Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII. Diese wurden ihr mit Bescheid vom 10. Mai 2006 gewährt unter Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft in Höhe von 437,00 EUR ohne Heizungskosten. Gleichzeitig erhielt die Klägerin ein Schreiben, in welchem sie aufgefordert wurde, die Kosten der Unterkunft zu senken auf 273,00 EUR bzw. 311,00 EUR abhängig von dem Baualter der angemieteten Wohnung. Außerdem wurde sie darauf hingewiesen, einen Mietvertrag erst nach ausdrücklicher Zustimmung zu unterzeichnen. Dennoch mietete die Klägerin zum 1. September 2006 eine andere Wohnung zu einer Bruttokaltmiete von 305,34 EUR an und beantragte die Übernahme der Mietkosten. Mit Schreiben vom 22. Juni 2006 wurde ihr daraufhin mitgeteilt, dass lediglich die Mietobergrenze in Höhe von 273,00 EUR zuzüglich Heizkosten in tatsächlicher Höhe als Unterkunftskosten anerkannt werden könnten. Zum 1. September 2006 bezog die Klägerin die neue Wohnung.
Aufgrund eines Neuantrages nach verbrauchtem Vermögen wurden der Klägerin mit Bescheid vom 18. Dezember 2007 Grundsicherungsleistungen für die Zeit von März 2007 bis Mai 2008 gewährt unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 273,00 EUR. Hinsichtlich der Unterkunftskosten legte die Klägerin mit Schreiben vom 15. am 16. Januar 2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2008 zurückgewiesen wurde.
Die Klägerin hat am 14. April 2008 Klage erhoben und vorgetragen, die Mietobergrenze sei mit 337,00 EUR anzunehmen. Da ihre Bruttokaltmiete darunterliege, sei sie angemessen und dementsprechend auch zu übernehmen. Im Übrigen sei die Unterscheidung nach dem Baualter einer Wohnung nicht zulässig, so dass zumindest die in der Kostensenkungsaufforderung vom 10. Mai 2006 aufgeführten 311,00 EUR anzusetzen seien. Auch darunter liege ihre tatsächliche Miete, so dass sie deswegen zu übernehmen sei. Im Übrigen verwies sie auf den Kurzbericht der GEWOS (Institut für Stadt-, Regional- und Wohnungsforschung GmbH) mit dem Titel “Kieler Wohnungskonzept - Kurzbericht Mai 2007„, in dem ausgeführt ist, dass preisgünstiger Wohnraum in Kiel sehr knapp und der Bedarf größer als das Angebot sei. Das gelte insbesondere für 1-Personen-Haushalte. Der Bedarf an günstigen Wohnungen liege um 23.200 Wohnungen höher als das Angebot. Zumindest sei aber eine Miete in Höhe von 298,50 EUR zu übernehmen, wie Entscheidungen des Sozialgerichts Schleswig ausgesagt hätten.
Die Klägerin hat beantragt,
ihr “ab dem 01.03.2008„ Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 305,34 EUR brutto kalt monatlich zu gewähren.
Die Beklagte hat sinngemäß beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die angegriffenen Bescheide und den Vortrag im einstweiligen Rechtsschut...