Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für 1-Personen-Haushalt in Kiel. schlüssiges Konzept. angemessene Bruttokaltmiete. konkrete Angemessenheit. Mietobergrenze. Betriebskosten. Kostensenkungsaufforderung. Nachweis der Bemühungen um angemessenen Wohnraum
Leitsatz (amtlich)
1. Der Kieler Mietspiegel bildet die Grundlage für ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Miete.
2. Die angemessene Bruttokaltmiete für eine Person beträgt in Kiel nach dem Mietspiegel von 2006 298,50 € und nach dem Mietspiegel von 2008 301,50 €.
3. Für die konkrete Angemessenheit müssen bei einem Ein-Personen-Haushalt für den ersten Absenkungszeitraum mindestens 10 Wohnungen nachgewiesen werden.
Orientierungssatz
1. Für eine Einzelperson ist eine Wohnungsgröße von bis zu 50 qm in Kiel angemessen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.
2. Maßgeblicher Vergleichsraum zur Bestimmung der Referenzmiete bildet das Stadtgebiet Kiels.
3. Eine differenzierte Wahl der Mietobergrenze je nach Baualtersklasse ist unzulässig (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 42).
4. Bei den im Mietspiegel der Landeshauptstadt Kiel enthaltenen Werten zu den durchschnittlichen Betriebskosten ist zu berücksichtigen, dass lediglich ein Drittel der Differenz zwischen den Grundbetriebskosten und dem Maximalwert der Betriebskosten anzusetzen und den Grundbetriebskosten hinzuzurechnen ist, so dass die Annahme von Betriebskosten in Höhe von 1,37 EUR/qm einen Mittelwert darstellt (vgl LSG Schleswig vom 16.4.2008 - L 11 B 380/08 AS ER und vom 3.9.2009 - L 9 SO 22/08 = SchlHA 2010, 93).
5. Im Hinblick auf die abstrakt ermittelte Mietobergrenze hat der Grundsicherungsträger nachzuweisen, dass Wohnungen zu der angenommenen Mietobergrenze auf dem Wohnungsmarkt existieren und es dem Hilfebedürftigen tatsächlich möglich ist bzw möglich gewesen wäre, eine solche günstige Wohnung anzumieten (sog konkrete Angemessenheit). Hierbei sind auch Wohnungen der Größe zwischen 25 und 45 qm zumutbar (Aufgabe von LSG vom 3.9.2009 - L 9 SO 22/08 aaO).
6. Weist der Hilfebedürftige alleine auf die Konkurrenzsituation auf dem Wohnungsmarkt mit anderen Arbeitsuchenden nach dem SGB 2 sowie Studenten hin und weist er nicht konkret nach, dass seine Bemühungen um angemessenen Wohnraum erfolglos gewesen sind, ändert die Konkurrenzsituation nichts an der Rechtmäßigkeit der vom Grundsicherungsträger gem § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 vorgenommenen Kostensenkung.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 19. November 2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der der Klägerin zu gewährenden Kosten der Unterkunft für den Zeitraum Juli bis Oktober 2008.
Die am 12. Juni 1950 geborene Klägerin bezieht seit langem Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Sie bewohnt eine 53,53 qm große Wohnung, für die sie Miete in Höhe von 276,65 EUR zuzüglich 48,57 EUR kalter Betriebskosten und 28,12 EUR Heizkosten zu zahlen hat. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 wurden ihr zuletzt Leistungen für die Unterkunft einschließlich Heizung in Höhe von 344,38 EUR gewährt. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2007 wurde sie darauf hingewiesen, dass für ihre vor 1976 errichtete Wohnung die Mietobergrenze 273,00 EUR betrage. Sie wurde aufgefordert, die Unterkunftskosten zu senken und entsprechende Nachweise vorzulegen. Anderenfalls würden die tatsächlichen Unterkunftskosten nur noch für sechs Monate gewährt werden können. Daraufhin erwiderte die Klägerin, dass sie seit 34 Jahren in der Wohnung wohne und die Miete sehr gering sei. Nachweise über Bemühungen, die Miete zu senken, legte sie nicht vor.
Mit Bescheid vom 9. April 2008 gewährte der Beklagte für Mai und Juni 2008 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 344,34 EUR. Für die Zeit von Juli bis Oktober 2008 gewährte er lediglich Leistungen für die Unterkunft in Höhe von 301,12 EUR. Gegen die Absenkung der Unterkunftskosten erhob die Klägerin mit Schreiben vom 28. am 29. April 2008 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2008, abgesandt am selben Tage, zurückgewiesen wurde.
Die Klägerin hat am 17. Juni 2008 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die Mietobergrenze des Beklagten sei mit 273,00 EUR zu niedrig angesetzt. Zu dieser Miete sei im Stadtgebiet von Kiel keine Wohnung zu erlangen. Außerdem habe der Rat der Landeshauptstadt Kiel beschlossen, die Bruttokaltmiete mit 301,50 EUR anzusetzen. Das müsse auch ihr gewährt werden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 9. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2008 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Oktober 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten in ...