Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Honorarverteilungsvertrag. Nichtanwendung der Konvergenzregelung auf Wachstumsärzte verstößt gegen höherrangiges Recht
Orientierungssatz
1. Teil A Ziffer 1.1 der 2. Ergänzungsvereinbarung zur Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2009 (HVV) vom 3.4.2009 über eine Konvergenzphase für die Vereinheitlichung der Umsetzung der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs 2 und 3 SGB 5 basierend auf dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung vom 15.1.2009 verstößt insoweit gegen höherrangiges Recht, als darin geregelt ist, dass Wachstumsärzte (hier: in einer Berufsausübungsgemeinschaft) - unabhängig von der Zuweisung einer Obergrenze - von der Konvergenzregelung ausgeschlossen sind (Anschluss an LSG Schleswig vom 5.2.2019 - L 4 KA 69/15).
2. Im Hinblick darauf, dass mit dem Urteil des BSG vom 24.1.2018 - B 6 KA 2/17 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 13 klargestellt wurde, dass ein Wachstumsarzt ebenso wie ein etablierter Arzt der RLV-Systematik unterliegt, gibt es bei der Anwendung der Konvergenzregelung keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung von etablierten Ärzten und Wachstumsärzten (Anschluss an LSG Schleswig vom 5.2.2019 - L 4 KA 69/15).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. September 2015 sowie der Honorarbescheid vom 17. August 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin wegen des Honorars für das Quartal I/2009 nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.650,45 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honorars der Klägerin für das Quartal I/2009.
Die Klägerin ist eine fachübergreifende Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in K., die im streitigen Quartal aus den Fachärzten für Anästhesiologie Dr. G, Dr. J, Herrn S und Dr. R bestand. Frau Dr. R ist seit dem Quartal I/2009 bei der Klägerin beschäftigt. Zuvor war sie in einer Einzelpraxis tätig. Sie befand sich seinerzeit noch in der Wachstumsphase.
Im Quartal I/2008 erzielte Frau Dr. R in ihrer Praxis in K im Kreis Steinburg ein Honorar in Höhe von 37.357,59 €.
Mit Schreiben vom 28. November 2008 teilte die Beklagte der Klägerin das vorläufige Regelleistungsvolumen (RLV) für das Quartal I/2009 in Höhe von insgesamt 41.052,93 EUR mit; für Herrn S, Dr. G und Dr. J jeweils 13.684,31 €; Dr. R wurde hierin noch nicht berücksichtigt.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 Widerspruch ein. Da der Bescheid keine detaillierten Darstellungen über die Berechnung des RLV enthalte, sei er nicht nachprüfbar.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 änderte die Beklagte das RLV der Praxis auf 33.437,22 EUR; für jeden der drei Ärzte jeweils 11.145,74 €.
Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 3. Februar 2009 änderte die Beklagte die RLV-Mitteilung für das Quartal I/2009 erneut ab. Für die Ärzte S, G und J verblieb es bei einem RLV in Höhe von 11.145,74 €. Zudem wurde Dr. R eine Obergrenze von 6.416,37 € zugewiesen. Für die Klägerin ergab sich dadurch eine Gesamt-Obergrenze in Höhe von 39.853,59 €.
Mit Honorarabrechnung vom 17. August 2009 setzte die Beklagte das Gesamt-Honorar der Klägerin für das Quartal I/2009 in Höhe von 230.803,24 € (Vorjahresquartal: 200.737,17 €) fest. Die Honorare der Ärzte S, J und G betrugen dabei im konvergenzrelevanten extra- und nicht extrabudgetären Bereich insgesamt 132.682,50 € gegenüber einem Honorar im Vorjahresquartal I/2008 in Höhe von 136.207,38 €. Einen Konvergenzzuschlag setzte die Beklagte nicht fest, da der Gesamthonorarverlust lediglich 3.524,88 € und somit 2,59 % betrage. Frau Dr. R, deren Honorar bei einer Fallzahl von 52 (durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe: 195,8) 1.704,04 € betrug, blieb bei der Berechnung des Honorarverlustes außer Betracht.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 3. September 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung kritisierte sie die Abrechnung der Sonderverträge zum ambulanten Operieren. Zudem machte sie eine Honorarstützung durch die Konvergenzregelung geltend. Im Quartal I/2009 scheine es zu einer fehlerhaften Zuordnung gekommen zu sein. Auffallend sei, dass für Herrn Dr. J allein für den extrabudgetären Bereich ein Honorarvolumen in Höhe von 43.817,27 € ausgewiesen sei. Hinzu kämen Leistungen im Umfang von 15.280,00 € im nicht extrabudgetären Bereich, insgesamt also 59.018,07 €. Dieser Wert könne nicht zutreffend sein. Aus sämtlichen Abrechnungen der Folgequartale sei ersichtlich, dass Dr. J stets im konvergenzrelevanten Bereich Honorarumsätze in Höhe von insgesamt rund 35.000 € erwirtschaftet habe. Tatsächlich habe die Praxis auch im Quartal I/2009 einen Honorarverlust von deutlich über 7,5 % erlitten. Es werd...