Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein. Honorarverteilung 2009. Konvergenzphase für die Vereinheitlichung der Umsetzung der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs 2 und 3 SGB 5. Ausschluss von Wachstumsärzten. Verstoß gegen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Orientierungssatz
1. Teil A Ziffer 1.1 der 2. Ergänzungsvereinbarung zur Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2009 (HVV) vom 3.4.2009 über eine Konvergenzphase für die Vereinheitlichung der Umsetzung der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs 2 und 3 SGB 5 basierend auf dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung vom 15.1.2009 verstößt insoweit gegen höherrangiges Recht, als darin geregelt ist, dass Wachstumsärzte (hier: in einer Gemeinschaftspraxis) - unabhängig von der Zuweisung einer Obergrenze - von der Konvergenzregelung ausgeschlossen sind.
2. Im Hinblick darauf, dass mit dem Urteil des BSG vom 24.1.2018 - B 6 KA 2/17 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 13 klargestellt wurde, dass ein Wachstumsarzt ebenso wie ein etablierter Arzt der RLV-Systematik unterliegt, gibt es bei der Anwendung der Konvergenzregelung keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung von etablierten Ärzten und Wachstumsärzten.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Kiel vom 7. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.989,16 EUR
festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Mitteilung des Regelleistungsvolumens (RLV)/Obergrenze und der Honorarabrechnung für das Quartal I/09. In abgetrennten Verfahren wendet sich die Klägerin auch gegen die Honorierung in den Quartalen II/09 bis II/10 sowie gegen die Ablehnung der Anerkennung von Praxisbesonderheiten bzw. Härtefällen für die streitigen Quartale (Bescheid des HVM-Teams vom 7. Juli 2011).
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis, die im streitigen Quartal aus dem Facharzt für Orthopädie Dr. B. und der Fachärztin für Orthopädie Dr. M. bestand. Dr. M. war seit dem Quartal III/2006 vertragsärztlich zugelassen, während Dr. B. zuvor seit mehreren Jahren als Vertragsarzt tätig war.
Mit Schreiben vom 28. November 2008 teilte die Beklagte der Klägerin eine vorläufige Gesamt-Obergrenze für das Quartal I/09 in Höhe von 57.285,19 € mit und erhöhte diese mit Mitteilung vom 19. Dezember 2008 auf insgesamt 57.642,44 EUR. Diese setzte sich aus einem RLV für Dr. B. in Höhe von 25.034,53 EUR und einer Obergrenze für Dr. M. in Höhe von 32.607,91 EUR zusammen. Das RLV für Dr. B. wurde aufgrund einer RLV-relevanten Fallzahl von 772, multipliziert mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert in Höhe von 50,19 €, gebildet; die Obergrenze für Dr. M. durch Multiplikation der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe von 1.082,6 mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert in Höhe von 30,12 €.
Die Klägerin widersprach der Mitteilung der Gesamt-Obergrenze am 15. Januar 2009 und stellte dabei einen Antrag auf Anhebung des RLV wegen Überschreitung des Fallwertes von weit über 30 % über dem Orthopädendurchschnitt. Ein erhöhter Fallwert ergebe sich aus der Praxisbesonderheit Rheumatologie. Über die Jahre habe die Praxis einen höheren Fallwert erzielt durch Fortschreiben der höheren Punktzahlen, die sie durch die alte EBM-Position 16 erhalten habe. Dieser Effekt habe in den vergangenen Jahren für ein erhöhtes praxisbezogenes RLV im Vergleich zu den Orthopäden ohne Gebietsbezeichnung Rheumatologie gesorgt. Allein die Betrachtung der EBM-Ziffern 18700 und 18320 seien nicht zielführend, da auch Patienten mit der Verdachtsdiagnose Rheuma zu ihnen kämen, aufwändig untersucht würden und sich der Verdacht dann nicht bestätige. Diese Untersuchungen würden auch entsprechende Kosten verursachen, ohne eine rheumatisch abrechnungsrelevante Diagnose aufzuweisen. Die Fallzahl für das RLV sei nicht korrekt berechnet worden. Die Scheinzahl der Praxis sei einfach durch zwei geteilt worden. Sie würden jedoch eine Gemeinschaftspraxis betreiben und keine Praxisgemeinschaft. Sie hätten verschiedene Schwerpunkte, was zu einem hohen Überlappungsgrad in der Behandlung der Patienten führe. Dies müsse mit dem Ziel einer höheren Fallzahl korrigiert werden. Schließlich werde ein Härtefallantrag wegen eines Honorarverlustes von mehr als 50 % gestellt.
Mit Bescheid vom 17. August 2009 setzte die Beklagte für das Quartal I/09 ein Gesamthonorar in Höhe von 123.095,08 EUR fest. Der Forderung für die RLV-relevanten Leistungen in Höhe von 76.256,96 € stand ein bereitgestelltes Volumen in Höhe von 51.970,85 EUR gegenüber, welches sich aus der Addition des RLV für Dr. B. in Höhe von 25.034,53 EUR und der Obergrenze für Dr. M. in Höhe von 26.936,32 EUR ergab. Die Restforderung der Klägerin in Höhe von 24.286,11 € wurde auf 4.565,40 € abgestaffelt. Für die Be...