Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. fehlende Mitwirkung. schriftlicher Hinweis auf die Folgen. Umfang der Belehrung. keine konkrete Angabe des Ausmaßes der Leistungsversagung erforderlich. Schwerbehindertenrecht. GdB-Neufestsetzung nach Heilungsbewährung. GdB-Wert
Orientierungssatz
Die Sozialbehörde braucht in der Belehrung nach § 66 Abs 3 SGB 1 nicht anzugeben, welches konkrete Ausmaß die Versagung von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung (hier: entsprechende Herabsetzung des GdB-Werts nach Heilungsbewährung) voraussichtlich haben wird (so auch LSG Stuttgart vom 5.10.1994 - L 5 Ar 667/94 und LSG Celle-Bremen vom 23.9.2015 - L 13 AS 170/13 = NZS 2016, 155; entgegen BSG vom 25.10.1988 - 7 RAr 70/87 = SozR 1200 § 66 Nr 13 und LSG Schleswig vom 27.9.2012 - L 5 R 127/11 = SchlHA 2012, 469).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 06.06.2014 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den teilweisen Entzug eines festgestellten Grades der Behinderung (GdB).
Die Klägerin wurde 1937 geboren. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2010 wurde der erste Feststellungsbescheid vom 14. November 1991 infolge Änderung der Verhältnisse teilweise aufgehoben und ein GdB in Höhe von 60 festgestellt. Dabei wurden folgende Funktionsbeeinträchtigungen (mit Einzel-GdB) berücksichtigt: Brusterkrankung im Stadium der Heilungsbewährung (rechts) (50), Funktionsstörung der Wirbelsäule (30), Herzerkrankung (20) und Bluthochdruck (10).
Ende 2011 leitete der Beklagte ein Nachprüfungsverfahren betreffend die noch verbliebenen Folgen der Brusterkrankung ein. Der Klägerin wurde ein Fragebogen übersandt. Mit Schreiben vom 19. März 2012 erinnerte der Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf die Mitwirkungspflichten nach § 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) an die Rücksendung des Fragebogens. Es sei eine Nachprüfung wegen der Brusterkrankung vorgesehen. Sollte innerhalb der nächsten zwei Wochen keine ausreichende Äußerung vorliegen, werde nach Lage der Akten entschieden. Es würden dann nur die Feststellungen bestehen bleiben, die aufgrund des Akteninhalts noch als nachgewiesen angesehen werden können.
Die Tochter der Klägerin bat mit Schreiben vom 6. April 2012 darum, ausschließlich mit ihr zu kommunizieren und Akteneinsicht nehmen zu können. Aufgrund der gesundheitlichen Verschlechterungen sei bei der Klägerin von einem GdB von 100 und dem Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen G auszugehen. Mit Schreiben vom 11. April 2012 teilte der Beklagte der Tochter der Klägerin mit, den Vortrag vom 6. April 2012 als Änderungsantrag zu werten. Er bat darum, den beigefügten Antragsvordruck ausgefüllt und unterschrieben zurückzusenden und gegebenenfalls eine Vollmacht beizufügen.
Nachdem weder auf das Schreiben vom 19. März 2012 noch vom 11. April 2012 eine Antwort der Klägerin eingegangen war, nahm der Beklagte eine Prüfung nach Aktenlage vor. Diese führte zu dem Ergebnis, dass bei fehlender Mitwirkung nach Ablauf der Heilungsbewährung kein Anhalt für ein Rezidiv des Mammakarzinoms zu erkennen sei und für den Brustteilverlust rechts ein Einzel-GdB von 10 angenommen werde. Für die übrigen im Bescheid vom 15. Dezember 2010 berücksichtigten Erkrankungen wurden verwaltungsintern keine abweichenden Einzel-GdB zugrunde gelegt.
Am 27. Juni 2012 entschied der Beklagte über die Folgen der fehlenden Mitwirkung. Mit diesem Bescheid hob er den Bescheid vom 15. Dezember 2010 infolge fehlender Mitwirkung insoweit auf, als nunmehr ein GdB von 30 festgestellt werde. Für den GdB von 30 wurden als Funktionsbeeinträchtigungen Funktionsstörung der Wirbelsäule, Herzerkrankung, Bluthochdruck und Brustteilverlust (rechts) berücksichtigt. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten nach §§ 60 bis 62 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht nachgekommen, obwohl sie auf die Folgen fehlender Mitwirkung hingewiesen worden sei. Auch von Amts wegen sei eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich. Die Feststellung werde daher in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens aufgehoben bzw. versagt. Das öffentliche Interesse an einer zutreffenden Feststellung der tatsächlich bei der Klägerin bestehenden Behinderung überwiege gegenüber ihrem Interesse an der Feststellung der nicht oder nicht mehr objektiv nachweisbaren Behinderung. Die Entscheidung beruhe auf der Annahme, dass die Brusterkrankung günstig verlaufen sei und eine mehrjährige Heilungsbewährung vorliege. Sollte die Klägerin ihre Weigerung aufgeben und ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen, könne die versagte oder aufgehobene Feststellung nachträglich ganz oder teilweise geändert werden, sofern die Feststellungsvoraussetzungen erfüllt seien.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 1. August 2012 Widerspruch ein. Diesen begründete sie unter ...