Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Abforderung von Grippeschutz-Impfstoffen. Anwendbarkeit des § 42 SGB 10. Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Menge der angeforderten Impfstoffe anhand der abgerechneten EBM-Ziffern grundsätzlich zulässig
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Abforderung von Grippeschutz-Impfstoffen ist auslegungsbedürftig. Ist in der Betreffzeile zwar nur ein Abrechnungsquartal genannt, ist jedoch das Zahlenmaterial für mehrere konkrete Quartale beigefügt, deutet dies regelmäßig darauf hin, dass sich der Antrag auf alle diese Quartale bezieht.
2. Da ein Antrag auf Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung keine materielle, sondern allein eine Ordnungsfunktion haben, ist § 42 SGB X anwendbar.
3. Es ist grundsätzlich zulässig, die Wirtschaftlichkeit der Menge der angeforderten Impfstoffe anhand der abgerechneten EBM-Ziffern zu beurteilen. Allerdings muss die Beurteilung berücksichtigen, dass die Abforderung von Impfstoffen eine Bedarfsprognose erfordert und das Impfverhalten der Patienten Schwankungen unterliegt. Daher muss dem Vertragsarzt ein Zuschlag eingeräumt werden. Ein grundsätzlich geeignetes Prognosekriterium ist die Orientierung an den Impfungen des vorangegangenen Impfzeitraumes.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 8. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 4.362,60 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Schadensersatzes wegen der Anforderung von Grippe-Impfstoffen für die Quartale I und IV/2006.
Der Kläger ist in R... als Allgemeinarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Die Beigeladene zu 1) stellte am 22. Dezember 2006 für die Beigeladenen zu 1) bis 5) bei der Prüfungsstelle für das Quartal I/2006 einen Antrag auf Schadensersatz in Höhe von 9.396,96 EUR. Hierzu führte sie aus, der Kläger habe in dem Quartal III/05 900 Ampullen Influvac, im Quartal IV/2005 1.320 Ampullen Grippe Chiron und im Quartal I/2006 20 Ampullen Influsplit, insgesamt 2.240 Ampullen Grippeschutzimpfstoffe angefordert. Er habe jedoch lediglich 1.076 mal die Gebührenziffer 99804 des EBM (Influenza) abgerechnet. Der Schadensbetrag ergebe sich aus der Differenz zwischen den angeforderten und verbrauchten Ampullen. Die Grippeimpfung sei eine saisonale Impfung, daher sei die in dem relevanten Impfzeitraum abgeforderte und abgerechnete Menge an Dosen zugrunde gelegt worden.
Der Kläger führte hierzu aus, er habe bei seiner Bezugsapotheke insgesamt 1.260 Ampullen Impfstoff angefordert. Hierzu legte er eine Bestätigung der Apotheke vor. Da die Bezugsapotheke darüber hinaus keine Impfstoffe mehr vorrätig gehabt habe, habe er noch weitere 20 Ampullen aus einer anderen Apotheke bestellt; weitere Bestellungen seien nicht erfolgt. In der Hektik des Impfbetriebes müssten Rezepte wohl doppelt ausgestellt und von der Apotheke weitergereicht worden sein. Ferner seien nicht alle Patienten zum Impftermin erschienen. Die überzähligen Ampullen seien im nächsten Quartal oder in weiteren Quartalen verbraucht worden. Eventuell habe er auch zu optimistische Bestellungen vorgenommen.
Im Hinblick auf diesen Vortrag berichtigte die Beigeladene zu 1) ihren Antrag auf einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 1.646,89 EUR für 204 Ampullen und führte hierzu aus, die Apotheke habe die Abrechnungsmenge um 960 Ampullen auf 1.280 abgeändert.
Die Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 12. September 2008 einen Schadensersatz in Höhe von 209,91 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, Impfstoffe seien Präparate für die Grippeschutzimpfungen, auf deren Anforderungen die Vorgaben der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut anzuwenden seien. Die Grippeschutzimpfungen seien Indikationsimpfungen und Impfungen der Versicherten mit einem in der STIKO-Empfehlung vorgegebenen beruflichen Risiko oder über dem 60. Lebensjahr. Die Anforderungen der Impfstoffe seien nach § 5 der Impfvereinbarung zulässig. Es sei unmaßgeblich, dass es im Vorjahr zu Lieferschwierigkeiten gekommen sei, da auch die Anforderung der Impfstoffe dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliege. Nur bis zu der Menge der abgerechneten Impfleistungen sei die Anforderung der Impfstoffe wirtschaftlich. Eine gewisse Mehranforderung müsse den Impfärzten wegen des Apothekenrabatts auf bestimmte Impfstoffmengen und wegen der variablen Patienten- und Morbiditätsentwicklung zuerkannt werden. Ferner würden auch immer wieder Impfleistungen ohne eine Abrechnung erbracht. Pauschal sei daher ein Zuschlag bei den abgeforderten Impfstoffen in Höhe von 10 % auf die abgerechneten Impfleistungen vorzunehmen. In dem Zeitraum III/2005 bis I/2006 habe der Kläger 1.076 Impfungen durchgeführt. Der Bezug von 1.200 Ampullen Impfstoff sei daher nicht zu beanstanden. Da der Antrag für die Quartale III un...