Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Abforderung von Grippeschutz-Impfstoffen. Orientierung am Vorjahr
Orientierungssatz
1. Vereinbarungen über Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen iS von § 106 Abs 2 S 4 SGB 5 umfassen auch die Verordnung von Impfstoffen.
2. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung hat sich der Arzt bei der Anforderung von Impfstoffen an den Impfungen des Vorjahres zu orientieren. In Hinblick auf Schwankungen in der Zahl der Impfwilligen ist auf die Vorjahreszahl ein Zuschlag von 15 vH zu gewähren, wobei im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung auf Zehnerpackungsgrößen aufzurunden ist. Dieser Ansatz ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl LSG Schleswig vom 8.12.2015 - L 4 KA 84/14).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 4. Juni 2014 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.908,- € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines gegen die Klägerin festgesetzten Regresses in Höhe von insgesamt 1.908,- € im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Impfstoffen.
Die Klägerin ist eine aus den Ärzten Dr. K. und Dr. M. bestehende Berufsausübungsgemeinschaft in W. In der Impfsaison 2005/2006 verimpfte die Klägerin zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 286 Dosen Grippeschutzimpfungen. In der Saison 2006/2007 forderte die Klägerin zulasten der GKV 550 Impfdosen an. Davon verimpfte sie 217.
Mit Schreiben vom 19. September 2007 beantragten die Beigeladenen zu 1-4) und 6) gegenüber der gemeinsamen Prüfeinrichtung der Vertragsärzte und Krankenkassen in S.(Prüfungsstelle) die Festsetzung eines Schadens im Einzelfall gegen die Klägerin. Im Prüfantrag war in der Betreffzeile das Quartal IV/06 angegeben. In der folgenden Tabelle waren dann die Grippeschutzimpfungen in den Quartalen III/06-I/07 aufgeführt.
Mit Schreiben vom 7. November 2007 informierte die Prüfungsstelle die Klägerin über diesen Antrag und setzte nach Stellungnahme der Klägerin vom 23. November 2007 mit Bescheid vom 12. September 2008 einen Schadensersatz in Höhe von 1908,00 € gegen die Klägerin fest. Zur Ermittlung der Schadenssumme führte die Prüfungsstelle aus, zu den 217 tatsächlich durchgeführten Grippeschutzimpfungen sei ein Aufschlag von 10 % zu gewähren. Zudem seien wirtschaftliche Bezugsmöglichkeiten und die Weitergabe einiger Impfdosen an einen anderen Kollegen zu berücksichtigen. Die Abforderung von insgesamt 250 Impfdosen sei nicht zu beanstanden. Für die darüber hinausgehend abgeforderte Anzahl von 200 Stück sei der Schadensersatz festzusetzen.
Dagegen richteten sich die Widersprüche der Beigeladenen zu 5.) vom 1. Oktober 2008 sowie der Klägerin vom 14. Oktober 2008. Über diese Widersprüche entschied der Beklagte mit Bescheid vom 2. November 2011. Darin gab er den Widersprüchen teilweise statt. Eine Neuberechnung der Schadenersatzsumme habe jedoch keine Änderung des Regressbetrages ergeben, es verbleibe somit bei einem Schadensersatz in Höhe von 1908,00 €. In der Begründung führte er aus, es sei bei der Bestellung des Impfstoffes für den Arzt sinnvoll, sich an den Zahlen der Vorsaison zu orientieren. Auf die 286 Impfdosen aus der Vorsaison werde ein Aufschlag von 15 % gewährt. Diese Summe werde auf Zehnerpackungsgrößen aufgerundet. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sei die Abforderung von insgesamt 330 Impfstoffdosen nicht zu beanstanden. Die darüberhinausgehend abgeforderte Anzahl von 220 Stück sei dem Grunde nach schadenersatzpflichtig, hiervon seien 20 Impfdosen, die an einen Kollegen weitergegeben worden seien, in Abzug zu bringen.
Am 5. Dezember 2011 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben.
Zur Begründung ihrer Klage hat sie vorgetragen, in der Impfsaison 2006/2007 habe es eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Grippeimpfungen gegeben. Dies habe im Zusammenhang mit der sich seinerzeit ausbreitenden Vogelgrippe gestanden, auch wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Vogelgrippe und klassischen Influenzaimpfungen nicht bestanden habe. Sie habe sich daher zunächst an den Vorjahreszahlen orientiert und 250 Dosen bestellt. Diese seien Ende September 2006 bezogen worden. Durch die euphorisierende Berichterstattung in den Medien sei es dann zu einem zum Teil panikartigen Ansturm der Patienten auf die Praxis zwecks Impfung gegen Influenza gekommen. Daher habe sie Mitte Oktober 2006 eine weitere Bestellung von 300 Ampullen Influenzaimpfstoff vorgenommen. Der im September 2006 bezogene Impfstoff sei Ende Oktober 2006 bereits vollständig verimpft gewesen. Trotz bis Anfang Dezember 2006 anhaltender Nachfrage habe zunächst nicht geimpft werden können, da sich die Auslieferung des nachbestellten Impfstoffes verzögert habe. Tatsächlich sei ein Großteil der bestellten Ampullen erst in der Wo...