Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsausbildungsbeihilfeanspruch. Notwendigkeit der auswärtigen Unterbringung. Familienheimfahrt. Einkommensanrechnung. erhöhter Freibetrag. Zumutbarkeit der Wegezeit

 

Orientierungssatz

1. Der Unterschied zwischen § 67 Abs 1 Nr 2 und § 71 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB 3 besteht darin, dass es bei der Bestimmung des Fahrkostenbedarfs für Familienheimfahrten im Rahmen einer betrieblichen (förderungsfähigen) Ausbildung in § 67 Abs 1 Nr 2 SGB 3 für die dort vorausgesetzte Erforderlichkeit der auswärtigen Unterbringung nur darauf ankommt, dass die von dem Auszubildenden gewählte Ausbildungsstätte auf Grund der Entfernung nicht in zumutbarer Zeit vom Familienwohnort erreicht werden kann, während für den erhöhten Freibetrag nach § 71 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB 3 zusätzlich erforderlich ist, dass dem Auszubildenden von der elterlichen Wohnung aus keine Ausbildung für die von ihm gewünschte bzw eine geeignete Berufsausbildung vermittelt werden kann. Ein derartiges Kausalitätserfordernis ist § 67 Abs 1 Nr 2 SGB 3 nicht zu entnehmen.

2. Anhaltspunkte für die Prüfung der Zumutbarkeit der Wegezeit im Rahmen der Erforderlichkeit der auswärtigen Unterbringung in § 67 Abs 1 Nr 2 SGB 3 bietet insbesondere für volljährige Auszubildende die Bestimmung des § 121 Abs 4 SGB 3, die für die Dauer von Pendelfahrten eine Obergrenze normiert.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 23. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Es geht in dem Rechtsstreit um die Höhe der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und dabei um die Frage, ob der Klägerin BAB unter Berücksichtigung von Fahrkosten für eine monatliche Familienheimfahrt zu gewähren ist.

Die ... 1984 geborene ledige Klägerin hat bis Juni 2004 das Gymnasium besucht und ab 1. August 2004 eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten mit voraussichtlichem Ausbildungsabschluss zum 31. Juli 2007 in der Kanzlei Dr. H. und Partner in P. (B.Straße 20) begonnen. Die bis dahin in G. (M.Straße 9)/Mecklenburg-Vorpommern bei ihrer Mutter wohnende Klägerin verzog zum Zwecke der Ausbildung nach Bad M. (G.Straße 10).

Am 16. Juni 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von BAB.

Mit Bescheid vom 30. Juli 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin BAB in Höhe von monatlich 370,00 EUR für die Zeit vom 1. August 2004 bis 31. Januar 2006. Die Beklagte berücksichtigte dabei weder die Freibeträge für eine auswärtige Unterbringung nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) noch den Bedarf für eine monatliche Familienheimfahrt.

Mit ihrem am 27. August 2004 eingelegten Widerspruch begehrte die Klägerin die Erstattung der Kosten für eine monatliche Familienheimfahrt und die Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Sie machte geltend, dass die auswärtige Unterkunft erforderlich gewesen sei, da sie zum Zeitpunkt des Lehrvertragsabschlusses aus dem Landkreis L. nur Absagen auf Bewerbungen erhalten habe. Zeitungsberichten habe sie entnommen, dass sich die Situation auch in Zukunft nicht verändern werde. Sie habe sich deshalb entschlossen, den für diesen Zeitpunkt schon seit drei Monaten vorliegenden Lehrvertrag mit der Kanzlei Dr. H. und Partner in P. zu unterzeichnen. Sie habe aus ihrer Sicht alles getan, um eine auswärtige Unterbringung zu vermeiden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Nach § 59 SGB III habe ein Auszubildender Anspruch auf BAB während einer beruflichen Ausbildung, wenn ihm die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten nicht anderweitig zur Verfügung stünden. Nach § 71 Abs. 1 SGB III seien auf den Gesamtbedarf u. a. das Einkommen des Auszubildenden und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift gälten für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen die Vorschriften des vierten Abschnittes des Berufsausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Abweichend von § 23 Abs. 3 BAföG blieben 52,00 EUR der Ausbildungsvergütung und abweichend von § 25 Abs. 1 BAföG zusätzlich 510,00 EUR anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteiles möglich sei (§ 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III). Nach Mitteilung der Berufsberatung hätte die Klägerin an ihrem bisherigen Wohnort bzw. im üblichen Tagespendelbereich eine geeignete berufliche Ausbildung, zumindest im vergleichbaren Rahmen mit der am 1. August 2004 begonnenen Berufsausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, aufnehmen können. Folglich sei...

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