Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Leistungsentgelt. gewöhnlich anfallende gesetzliche Abzüge. Kirchensteuer-Hebesatz. konfessionsloser Arbeitnehmer. Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes als pauschaliertem, gewöhnlich anfallenden Entgeltabzug gem § 136 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB 3 aF in der Zeit bis zum 31.12.2004 bestehen nicht (Anschluss an BSG vom 23.3.2004 - B 11 AL 213/03 B und vom 25.6.2002 - B 11 AL 55/01 R = SozR 3-4300 § 136 Nr 1).
2. Bestätigt wird diese Rechtsprechung dadurch, dass der Bundesgesetzgeber im Rahmen der jüngeren Reformgesetzgebung wegen der immer rückläufigeren Mitgliedzahlen der Kirchen nunmehr einen Wegfall des Kirchensteuerabzuges ab dem 1.1.2005 vorgesehen hat. Auch diese Regelung ist verfassungsgemäß (vgl BVerfG vom 15.4.2005 - 1 BvR 952/04 = SozR 4-4300 § 136 Nr 1).
3. Schließlich ist auch die Berücksichtigung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nach § 136 Abs 2 S 2 Nr 3 und Nr 5 SGB 3 aF nicht zu beanstanden.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg).
Der ... 1945 geborene Kläger war vom 1. November 1974 bis 31. Oktober 2004 zuletzt als Bezirksleiter im Außendienst bei der Firma H-K D GmbH (...) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 31. August 2004 meldete er sich mit Wirkung vom 1. November 2004 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 21. September 2004 und 19. Oktober 2004 antragsgemäß Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.065,00 EUR unter Zuordnung zur Leistungsgruppe C in Höhe von wöchentlich 402,22 EUR (täglich 57,46 EUR). Bei der Bemessung des Leistungsentgelts berücksichtigte sie die Kirchensteuer, obwohl der Kläger nicht Mitglied einer Kirchengemeinde und nicht kirchensteuerpflichtig ist. Die Berücksichtigung der Kirchensteuer als gewöhnlich anfallender Entgeltabzug betrug unter Zugrundelegung des wöchentlichen Bemessungsentgelts von 1.065,00 EUR für den Kläger wöchentlich 13,47 EUR. Ferner berücksichtigte die Beklagte bei der Bestimmung des Leistungsentgelts als gewöhnlich anfallende Entgeltabzüge Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von wöchentlich 58,10 EUR und Pflegeversicherung in Höhe von wöchentlich 6,92 EUR.
Hiergegen erhob der Kläger am 20. Oktober 2004 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus: Er sei schon vor Jahren aus der kirchensteuerpflichtigen Kirche ausgetreten. Zudem sei er privat kranken- und pflegeversichert. Von daher seien bei der Bestimmung des Leistungsentgelts weder der Kirchensteuerbetrag noch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2004 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: § 129 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bestimme, dass das Alg 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgeltes (Leistungsentgelt) betrage (allgemeiner Leistungssatz). Der erhöhte Leistungssatz von 67 Prozent werde gewährt, wenn der Antragsteller oder sein nicht dauernd getrennt lebender und ebenfalls unbeschränkt einkommenssteuerpflichtiger Ehegatte oder Lebenspartner ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 Einkommenssteuergesetz habe. Das Leistungsentgelt ergebe sich aus dem im Bemessungszeitraum erzielten Bruttoentgelt (Bemessungsentgelt). Dieses sei um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfielen, zu vermindern (§ 136 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (a. F.)). Hierzu gehöre nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a. F. auch die Kirchensteuer nach dem im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuerhebesatz, nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III a. F. die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 SGB III a. F. die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung. Aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ("... gewöhnlich ...") ergebe sich, dass bei der Berechnung der Höhe der dem Kläger bewilligten Leistung eine pauschale Berücksichtigung von Abzügen zu erfolgen habe. Eine individuelle, auf den Einzelfall bezogene Berechnung sehe das Gesetz dagegen nicht vor. Auf eine fehlende Kirchensteuerpflicht, Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung komme es deshalb nicht an. Es würden vielmehr für das erzielte Bruttoarbeitsentgelt typische Pauschbeträge abgezogen, so wie sie bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfielen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundessozialgerichts (BSG) seien diese Vorschriften im Interesse der Verwaltungspraktikabilität und zügigen Feststellung der Leistungshöhe verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen diesen seinen Prozessbevollmächtigten am 4. November 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 10. November 2004 bei dem Sozialgeric...