Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Einkommensanrechnung. Absetzung von Privatversicherungsbeiträgen. Pauschbetrag in Höhe von 3% des Einkommens. keine Ermächtigungskonformität. Verfassungswidrigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die in § 3 Abs 2 AlhiV 2002 vorgesehene Pauschale von 3% des Einkommens für Versicherungsbeiträge, die von dem bei der Arbeitslosenhilfe leistungsmindernd zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen sind, ist nicht ermächtigungs- und nicht verfassungskonform (vgl BSG vom 9.12.2004 - B 7 AL 24/04 R).

2. Die Frage welche Beiträge zu privaten Versicherungen in welcher Höhe vom Einkommen abzusetzen sind, beurteilt sich allein nach § 194 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB 3.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 11. August 2004 geändert und insgesamt neu gefasst.

Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 20. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2003 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe vom 2. Februar 2002 bis 30. April 2002 unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Anrechnungsbetrages in Höhe von 75,34 € aus dem Einkommen von Frau K.V. zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu 1/10 zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 2. Februar 2003 bis 30. April 2003.

Der am 1958 geborene Kläger ist nicht verheiratet. Er steht im langjährigen Leistungsbezug der Beklagten und bezog zuletzt Alhi. Der Kläger lebt seit (mindestens) 1986 mit der am 3. März 1956 geborenen Zeugin K.V. zusammen, zunächst in B und ab April 2001 nach einem gemeinsamen Umzug in S. Dort wohnen der Kläger und die Zeugin K.V. in einem gemeinsamen Haus. Beide haben ein gemeinsames Kind, A.V., geb. am 10. Oktober 1979.

In seinen Anträgen auf Alhi gab der Kläger unter der Rubrik "Vermögen und Einkommen eines Ehegatten oder Partners in eheähnlicher Gemeinschaft" stets an, mit der Zeugin K.V. in einer Haushaltsgemeinschaft zu leben (z.B. Antrag vom 18. März 1993, Antrag vom 3. März 1994, Antrag vom 17. Mai 1996, Antrag vom 23. Oktober 2000, Antrag vom 26. April 2001, Antrag vom 20. November 2001). Die Frage, ob der Kläger und seine Partnerin ein gemeinsames Konto hätten bzw. wechselseitig über das Konto des anderen verfügen könnten, wurde ebenso verneint wie die Frage einer gegenseitigen finanziellen Unterstützung. Den Alhi-Anträgen waren stets Verdienstbescheinigungen der Zeugin K.V. beigefügt, und die Bewilligung von Alhi erfolgte stets unter Anrechnung ihres Einkommens.

In seinem am 16. Oktober 2002 gestellten Alhi-Antrag gab der Kläger erneut an, mit der Zeugin K.V. zusammen in einer Haushaltsgemeinschaft zu leben. Die Fragen nach einer gemeinsamen Kontoführung oder einer gegenseitigen finanziellen Unterstützung wurden - wie bereits in den früheren Anträgen - verneint. Der Kläger reichte eine Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers der Zeugin K.V. vom 23. Oktober 2002 zur Verwaltungsakte. Nach dieser Verdienstbescheinigung bezog die Zeugin K.V. in den Monaten August bis Oktober 2002 ein durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 1.538,54 € (= netto 1.050,91 €). Ferner machte die Zeugin K.V. in einer von ihr unter dem 28. Oktober 2002 und im Rahmen des § 315 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegenüber der Beklagten erteilten Einkommenserklärung Fahrtkosten für die Fahrt vom Wohnsitz zum Beschäftigungsort (15 km) geltend. Unter der Rubrik "Aufwendungen für Versicherungen" des Antragstellers bzw. (Lebens-)Partners wurde vom Kläger in dem Antragsformular angegeben: Hausratversicherung jährlich 74,30 € (= monatlich 6,19 €), Gebäudeversicherung jährlich 73,57 € (= monatlich 6.13 €), Unfallversicherung monatlich 25,30 €, private Haftpflichtversicherung jährlich 87,11 € (= monatlich 7,26 €) und Rechtsschutzversicherung halbjährlich 135,54 € (= monatlich 22,59 €).

Mit Bescheid vom 20. Februar 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi in Höhe von 45,50 € ab dem 2. Februar 2003 unter Berücksichtigung eines Anrechnungsbetrages von 80,29 € wöchentlich.

Hiergegen erhob der Kläger am 25. Februar 2003 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus: Es sei seiner Partnerin nicht möglich, ihm einen monatlichen Anrechnungsbetrag von 321,16 € zu zahlen, wenn sie selbst nur 1.050,91 € netto verdiene. Unter Berücksichtigung der monatlichen Lebenshaltungskosten (Miete, Kosten für Lebensmittel, Telefon, private Altersvorsorge, Auto, Tanken, Steuern, Versicherung, Heizkosten, Strom, Müllabfuhr, Wasser) ergebe sich anderenfalls ein Minusbetrag von 328,25 €. Der Anrechnungsbetrag sei unsozial und nicht zu akzeptieren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Gemäß § 194 SGB III sei das Einkommen des Arbeitslosen und seines Lebenspartners auf die Alhi anzurech...

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