Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Kreises Dithmarschen. Vergleichsraumbildung. Wohnungsmarkttyp. Datenerhebung und -auswertung. Transparenz. Validität. überproportionale Berücksichtigung der Bestandsmieten von Leistungsberechtigten nach dem SGB 2. Einbeziehung von älteren Mietverträgen. Nachfrageanalyse unter Berücksichtigung der Eigentumsquote
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten muss in einem transparenten, nachvollziehbaren Verfahren erfolgen und auf einer validen Datengrundlage beruhen.
2. Die überproportionale Berücksichtigung der Bestandsmieten von SGB II-Empfängern, ohne dass dieser Aspekt im Methodenbericht Berücksichtigung findet, verstößt gegen das Transparenzgebot.
3. Mietverträge, die älter als vier Jahre sind bzw die länger als vier Jahre keine Änderung erfahren haben, lassen keine sicheren Schlüsse über das aktuelle Mietniveau zu.
4. Für die Erstellung eines Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist eine nachvollziehbare Nachfrageanalyse für die einzelnen Haushaltsgrößen unter besonderer Berücksichtigung der Eigentumsquote notwendig.
Orientierungssatz
1. Das gesamte Gebiet des Kreises Dithmarschen bildet einen einheitlichen Vergleichsraum.
2. Soweit das Kreisgebiet nach dem Konzept des Grundsicherungsträgers im Wege der sog Clusteranalyse in vier Wohnungsmarkttypen untergliedert wird, führt dies nicht dazu, dass mehrere Vergleichsräume iS der höchstrichterlichen Rechtsprechung entstehen würden.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 27. April 2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 31. Dezember 2013.
Die am ... . ... 1981 geborene Klägerin zu 1. ist die Mutter ihrer am ... . ... 2005, ... . ... 2009, ... . ... 2011 und ... . ... 2012 geborenen Kinder P. , L. , J. und S. L. , der Kläger zu 2. bis 5.. Sie ist verheiratet mit dem am ... . ... 1976 geborenen Herrn W. L. , Nach einer vorübergehenden Trennung der Eheleute ab 1. November 2011 zog die Familie zum 1. September 2012 in eine 125 m² große Wohnung (Mietshaus) im B. -. -Weg ... in W. . Auf den Leistungsantrag des Herrn W. L. vom 14. August 2012 bewilligte der Beklagte der Familie mit Bescheid vom 29. August 2012 - geändert durch Bescheide vom 19. September 2012 und 5. Oktober 2012 - in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2012 sowie dreier Änderungsbescheide vom 27. November 2012 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. September 2012 bis 28. Februar 2013. Die Vorläufigkeit der Bewilligung beruhte darauf, dass Herr W. L. die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ab August 2012 angegeben hatte, für die der Beklagte zunächst fiktive Einkünfte zugrunde legte. Mit Schreiben vom selben Tage (29. August 2012) forderte der Beklagte Herrn W. L. zur Senkung der Unterkunftskosten auf. Denn für W. seien für ihn „und seine fünf Angehörigen“ Kosten bis zu einem Höchstbetrag von 493,00 EUR zuzüglich Heizkosten angemessen. Der Beklagte kündigte an, ab 1. Januar 2013 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Die Leistungsbewilligungen für die Zeit vom 1. September 2012 berücksichtigten dementsprechend die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe; für die Monate Januar und Februar 2013 berücksichtigte der Beklagte nur noch eine Bruttokaltmiete von 493,00 EUR. Dies ist Gegenstand des am 17. November 2017 im Vergleichswege beendeten Parallelverfahrens L 3 AS 99/15, auf das insoweit wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.
Am 30. April 2013 haben die Eheleute sich nach eigenen Angaben wieder getrennt; Herr W. L. ist zum 1. Juli 2013 aus dem Haus in W. ausgezogen.
Am 24. Juni 2013 stellte die Klägerin zu 1. für sich und die vier Kinder bei dem Beklagten einen neuen Leistungsantrag. Zu den Unterkunftskosten legte sie eine Vermieterbescheinigung vom 1. Juli 2013 vor, wonach die Kaltmiete sich auf 500,00 EUR zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 40,00 EUR belief. Öl, Wasser und Abwasser seien von den Mietern selbst zu zahlen. Ergänzend wies die Klägerin zu 1. darauf hin, dass die Wohnung von ihr zum 30. September 2013 mündlich gekündigt sei.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei wies der Beklagte darauf hin, dass weiterhin - bis zum 30. September 2013 - nur die bisher anerkannten Kosten der Unterkunft in Höhe von 493,00 EUR zugrunde gelegt werden könnten. Zuv...