Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Vermögensberücksichtigung. Verwertbarkeit. selbst genutztes Hausgrundstück. lebenslanges Nießbrauchsrecht der Eltern

 

Orientierungssatz

Ein unangemessenes Hausgrundstück stellt auch dann verwertbares Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB 2 dar, wenn darauf ein lebenslanges Nießbrauchsrecht in Form eines Wohnrechts lastet (vgl LSG Schleswig vom 18.11.2008 - L 11 AS 45/07 = Breith 2009, 548 und vom 26.9.2008 - L 3 AL 48/06; entgegen BSG vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 46/06 R = BSGE 99, 248 = SozR 4-4200 § 12 Nr 6). Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass ein mit Nießbrauch belastetes Grundstück auch beliehen werden kann.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.07.2012; Aktenzeichen B 14 AS 158/11 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 5. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Umwandlung der dem Kläger für die Zeit vom 1. April 2005 bis 30. September 2005 darlehensweise gezahlten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in einen Zuschuss.

Der 1964 geborene Kläger ist Kfz-Meister. Er bezog bis zum 31. Juli 2004 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit und anschließend bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Der Kläger ist Eigentümer eines 1963 mit einem 174 m² großen Einfamilienhaus bebauten 800 m² großen Grundstücks in S.. Er bewohnt eine 69,3 m² große Wohnung im Obergeschoss des Hauses; seine Eltern leben im Erdgeschoss. Mit notariellem Vertrag vom 20. Juli 1987 hatte der 1920 geborene Vater des Klägers das Grundstück auf den Kläger übertragen und sich sowie der 1925 geborenen Mutter des Klägers dabei ein lebenslängliches Wohnrecht in der unteren Etage des Hauses einräumen lassen. Die Eltern des Klägers sind schwerbehindert. Das Grundstück ist im Zusammenhang mit Darlehensverbindlichkeiten mit einer Grundschuld in Höhe von 48.600,00 EUR belastet.

Auf seinen Leistungsantrag vom 25. Oktober 2004, in dessen Zusatzblatt 2 der Verkehrswert des Grundstücks mit 150.000,00 EUR angegeben war, bewilligte der Beklagte dem Kläger mit unanfechtbar gewordenem Bescheid vom 13. Januar 2005 für die Zeit von Januar bis März 2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 804,00 EUR monatlich als Darlehen. Auf den Fortzahlungsantrag vom 22. März 2005 gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 26. April 2005 für die Monate April bis Juni 2005 Leistungen in Höhe von 724,00 EUR als Darlehen. Dem Fortzahlungsantrag vom 24. Mai 2005 entsprach der Beklagte, indem er dem Kläger mit Bescheid vom 21. Juni 2005 für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 Leistungen in Höhe von 655,00 EUR als Darlehen gewährte. Mit Änderungsbescheid vom 26. Juli 2005 machte der Beklagte die Leistungsgewährung über den 30. September 2005 hinaus von der Unterzeichnung und Rückgabe der ihm übersandten Darlehensverträge abhängig. Mit Änderungsbescheid vom 27. September 2005 erhöhte der Beklagte die Leistung ab 1. August 2005 wegen der Berücksichtigung von Fahrkosten und Mehrarbeitsentschädigung auf 874,00 EUR (weiterhin auf Darlehensbasis). Mit weiterem Bescheid vom 27. September 2005 (“Ablehnungs-/Einstellungsbescheid„) stellte der Beklagte die Leistungsgewährung nach vorausgegangener Anhörung mit Wirkung ab 1. Oktober 2005 ein, nachdem der Kläger die ihm übersandten Darlehensverträge nicht unterschrieben zurückgereicht hatte. Seit dem 6. Oktober 2005 steht der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis und macht insoweit keine Leistungsansprüche mehr geltend.

Wegen der Leistungsberechnung im Einzelnen wird auf die Bescheide Bezug genommen.

Ab dem 25. April 2005 übernahm der Kläger als Leistung zur Eingliederung eine Arbeitsgelegenheit (Arbeitsleistung 40 Stunden wöchentlich) und bezog eine Mehraufwandsvergütung von zunächst 1,00 EUR und ab 1. Juni 2005 von 1,70 EUR pro Arbeitsstunde.

Gegen die Bewilligungsbescheide vom 26. April 2005, 21. Juni 2005 und 26. Juli 2005 sowie gegen die Bescheide vom 27. September 2005 erhob der Kläger jeweils Widerspruch, der sich insbesondere gegen die nur darlehensweise Leistungsgewährung richtete. Er machte geltend, dass es sich bei dem Hausgrundstück um geschütztes Vermögen handele, das mit einem Wohnrecht seiner Eltern belastet sei. Diese seien zudem schwerbehindert, so dass es unzumutbar wäre, sie aus der häuslichen Umgebung zu drängen. Er habe auch durch das Eigentum geringere Wohnkosten, als sie bei Anmietung einer Fremdwohnung entstünden. Im Übrigen sei der Beklagte von einem zu hohen Verkehrswert des Grundstücks ausgegangen; auch habe er die Belastung durch das Wohnrecht der Eltern nicht berücksichtigt. Das Objekt sei auch aufgrund der Marktsituation derzeit kaum veräußerbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2006 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 26. April, 21. Juni und 26. Juli 2005 als unbegründet zurü...

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