Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. dauerhafte volle Erwerbsminderung. Entbehrlichkeit einer Feststellung durch den Rentenversicherungsträger. Vorliegen einer Stellungnahme des Fachausschusses einer WfbM über die Aufnahme in selbige. volle Erwerbsminderung kraft Gesetzes nach § 43 Abs 2 S 3 Nr 1 SGB 6. Versicherter nach § 1 S 1 Nr 2 SGB 6. behinderter Mensch. Beschäftigung in einer WfbM. Ausschluss einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt

 

Orientierungssatz

Wegen der abstrakten Möglichkeit, im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM auch einen Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt gem § 136 Abs 1 S 3 SGB 9 zu erreichen, ist die gesetzliche Wertung des § 45 S 3 Nr 3 SGB 12 der dauerhaften vollen Erwerbsminderung für Werkstattbeschäftigte nicht zu korrigieren.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 27. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte erstattet der Klägerin auch deren außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum ab dem 1. April 2009 bis zum 31. Oktober 2010.

Die am …1989 geborene Klägerin ist seit ihrer Geburt geistig behindert. Sie leidet an einer Hirnschädigung. Es besteht eine gravierende Entwicklungsverzögerung bzw. -störung. Sie besuchte bis zum 31. Juli 2008 die A. L.___-Schule für geistig Behinderte. Zum 1. September 2008 erfolgte die Aufnahme in die Werkstatt für behinderte Menschen (Werkstatt für behinderte Menschen) P. M.___. Das Landesamt für Soziale Dienste hat der Klägerin einen Grad der Behinderung von 80 sowie die Merkzeichen “G„ und “B„ zuerkannt. Die Klägerin lebt in einem Haushalt mit ihrer leiblichen Mutter sowie deren Partner.

Bei der Klägerin besteht eine geistige Behinderung. In den lebenspraktischen Fähigkeiten ist sie bezüglich der Körperhygiene und den Toilettengängen selbstständig und benutzt das Besteck zur Nahrungsaufnahme sachgerecht. Sie kennt die Uhrzeit und ist örtlich orientiert. Sie kann einfache Sätze sprechen, wobei ihre Äußerungen häufig schwer verständlich sind. Sie kann einzelne Worte lesen. Teilweise kann sie dem Gelesenen den Sinn entnehmen. Schreiben kann die Klägerin ebenfalls nur einzelne Worte. Rechnen kann sie im Zahlenraum bis 20, und mit sonstigen Hilfsmitteln kann sie sich im Zahlenraum bis 100 bewegen. In Gesprächen zeigt die Klägerin ein meist kindliches und naives Verhalten. Sie spricht Wörter schnell aus und rede dann meist unverständlich, weist große Lücken in den Kulturtechniken des Bereichs Lesen und Schreiben auf. Die Klägerin hat vier Jahren nach Verlassen der Schule viele erlernte Dinge bereits wieder vergessen; sie kann zwar Münzen und Scheine unterscheiden, ist aber nicht in der Lage, den Wert des Geldes zu bemessen. Sie behält nicht alles Wesentliche; einen halben Tag lang kann sie konzentriert arbeiten. Ihr müssen Dinge wiederholt erläutert werden, damit sie die Inhalte versteht. Die Lernmotivation in theoretischen und praktischen Bereichen ist mittelgradig ausgeprägt. Die Umstellfähigkeit ist ebenfalls mittelgradig. Die Klägerin ist wenig bis ausreichend belastbar. Bei ihr liegen überwiegend grobmotorische Fähigkeiten vor. Die Klägerin fügt sich aktiv in die Werkstattgruppe ein und tritt dem Gruppenleiter offen gegenüber. Kritik kann sie nur teilweise annehmen und verhält sich in Konflikten unpassend. Zuweilen legt sie störendes Verhalten an den Tag. Sie ist bei gering ausgeprägtem Selbstwertgefühl psychisch belastbar. Die Klägerin nutzt kein Werkzeug und keine Maschinen. Sie ist in der Papierverarbeitung eingesetzt. Sie trägt Papier zusammen, setzt Aufkleber, kuvertiert und ist ansonsten im Küchendienst eingesetzt. Sie übt einfache Arbeiten aus.

Die Klägerin hatte zunächst am 13. Mai 2008 einen Antrag auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs, Zwölftes Buch (SGB XII), gestellt. Deren Antrag hatte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2008 mit der Begründung abgelehnt, eine volle Erwerbsminderung auf Dauer sei nicht gegeben. Der Besuch einer Schule für geistig Behinderte reiche für die Annahme dieser Voraussetzungen nicht aus.

Dem dagegen eingelegten Widerspruch vom 3. Juni 2008 half der Beklagte nach der Entscheidung des Fachausschusses der Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme der Klägerin, die am 11. Juli 2008 erfolgt war, mit Bescheid vom 4. September 2008 ab. Er gewährte der Klägerin Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum 31. März 2009.

Mit Folgeantrag vom 9. März 2009 begehrte die Klägerin die hier streitigen Leistungen für den Zeitraum ab dem 1. April 2009. Zu diesem Zeitpunkt verfügte sie über Bargeld in Höhe von 80,00 EUR, einem Sparvermögen von 5,93 EUR sowie einem Guthaben auf ihrem Girokonto in Höhe von 818,00 EUR. Sie bezog monatlich Werks...

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