Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Rückforderung überzahlter Leistungen. hinreichende Bestimmtheit einer Korrektur- und Erstattungsentscheidung
Orientierungssatz
1. Zur hinreichenden Bestimmtheit einer Korrektur- und Erstattungsentscheidung.
2. Die Komplexität bei der Berechnung eines Korrektur- und Rückforderungsbetrags führt nicht zur Unbestimmtheit der Korrektur- und Erstattungsentscheidung.
3. Eine Korrektur- und Erstattungsentscheidung ist auch dann hinreichend bestimmt, wenn zur Auslegung des Korrektur- und Rückforderungsbetrags neben dem Verfügungssatz auch die Begründung des Bescheids und die Anlagen heranzuziehen sind, um die Einzelheiten der Korrektur- und Erstattungssumme zu erfassen.
Tenor
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung, mit der die Beklagte eine Überzahlung der gewährten großen Witwenrente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze zwischen 1. Juni 2008 bis 30. April 2016 geltend macht.
Die 1950 geborene Klägerin ist Witwe des am 3. Februar 2008 verstorbenen Versicherten R, für den die Beklagte ebenso wie für die Klägerin die zuständige Rentenversicherungsträgerin war und ist.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten mit unterschriebenem Formular vom 18. Februar 2008 eine Witwenrente, wobei sie unter anderem die Erklärung abgab, die Beklagte zu benachrichtigen, wenn sich nach Stellung dieses Rentenantrags bis zum Rentenbeginn eine Änderung der Höhe des Arbeitsentgelts oder des Arbeitseinkommens ergab (Bl. 11 VA). Darüber hinaus fügte sie dem Antrag das Formular R660 bei, unterschrieben ebenfalls mit Datum 18. Februar 2008, mit dem ihr Einkommen, sei es Arbeitsentgelt oder verschiedene andere Leistungen, abgefragt wurde. Sie gab insbesondere an, kein Erwerbseinkommen zu haben und verpflichtete sich gleichzeitig, es der Beklagten mitzuteilen, sobald sie - etwa - ein Arbeitsentgelt erzielt. Kopien des Antrags nebst Anlagen fertigte sie nicht.
Mit Bescheid vom 7. April 2008 gewährte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente in Höhe von monatlich 224,55 EUR ab Juni 2008 und ferner eine Nachzahlung für den Zeitraum vom 3. Februar 2008 bis 31. Mai 2008 in Höhe von 1.471,23 EUR. Die Klägerin bestreitet, diesen Bescheid erhalten zu haben.
Mit Schreiben vom 22. April 2008, das auf den Bescheid vom 7. April 2008 Bezug nimmt, stellte die Beklagte die Abrechnung der Rentennachzahlung dar, indem sie mitteilte, einen Betrag in Höhe von 1.006,97 EUR an das Jobcenter zu erstatten in Aufrechnung mit laufenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Der restliche Nachzahlungsbetrag betrage damit 464,26 EUR.
Am 5. Mai 2008 nahm die Klägerin eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf. Tätig war die Klägerin fortan bei einem christlichen Träger im Bereich der Erwachsenenbildung und Bildung für Jugendliche, wobei sie Gruppen leitete, Coachingmaßnahmen durchführte und auch mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter zusammenarbeitete. Die Klägerin teilte dies der Beklagten nicht mit. Seitens des Arbeitsgebers der Klägerin wurden Sozialversicherungsabgaben an die Beklagte geleistet.
Die Beklagte übersandte der Klägerin jährliche Änderungsmitteilungen zu ihrer laufenden Witwenrente.
Am 4. Februar 2016 beantragte die Klägerin eine Regelaltersrente. Hierbei stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin seit Juni 2008 neben dem Bezug der Witwenrente Einkommen erzielt hatte. Sie ermittelte durch Befragung des Arbeitgebers der Klägerin und Abfrage der Meldung zur Sozialversicherung die Höhe dieses Einkommen (zu den Einzelheiten Blatt 83 bis 86 der Verwaltungsakte). Hierbei stellte die Beklagte schließlich angesichts des zu berücksichtigenden Einkommens eine Überzahlung der Witwenrente fest. Mit Schreiben vom 27. April 2016 hörte sie sodann die Klägerin zu einer Überzahlung in Höhe von 22.044,71 EUR für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis 30. April 2016 und einer entsprechenden Erstattungspflicht auf Grundlage des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der damaligen Wohnort-Gemeindeverwaltung der Klägerin - A - am 6. Mai 2016 machte die Klägerin geltend, mit der Erstattungsforderung nicht einverstanden zu sein. Ihr Arbeitgeber habe ihr Einkommen ordnungsgemäß an die Beklagte gemeldet, so dass sie hier kein Verschulden treffe. Sie habe auf die richtige Berechnung der Rentenhöhe vertraut.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2016 nahm die Beklagte eine teilweise Aufhebung der Witwenrente ab 5. Mai 2008 vor. Auf der ersten Seite des Bescheids verfügte sie, dass die große Witwenrente ab 5. Mai 2008 „neu berechnet“ werde; die laufende Rente betrage ab 1. Juli 2016 179,70 EUR abzüglich Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherung. Weiter ma...