Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilweise Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Bescheides über die Bewilligung einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Nichtberücksichtigung des Abschlags an Entgeltpunkten aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich. Vertretung durch einen bevollmächtigten Rentenberater. Zurechnung des Wissens bzw der grob fahrlässigen Unkenntnis des Rentenberaters
Orientierungssatz
Wird sich im Rahmen der Beantragung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Wahrnehmung eigener Interessen der besonderen Sachkunde eines Rentenberaters bedient, muss sich der Antragsteller das Wissen bzw die grob fahrlässige Unkenntnis des Rentenberaters in analoger Anwendung des § 166 Abs 1 BGB zurechnen lassen, wenn der Rentenbescheid rechtswidrig begünstigend für ihn ausfällt und ein sachkundiger Vertreter dies hätte erkennen müssen.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Dezember 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Notwendige außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme einer bewilligten Altersrente für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis 31. August 2017 wegen der Nichtberücksichtigung des durchgeführten Versorgungsausgleichs zu Lasten des Klägers sowie die geltend gemachte Erstattungsforderung in Höhe von 3.864,45 Euro.
Der 1950 geborene Kläger war bis zum 30. November 1994 verheiratet. Weder er noch seine frühere Ehefrau lebten oder arbeiteten in den neuen Bundesländern. Beruflich absolvierte der Kläger zunächst eine Ausbildung als technischer Zeichner im Maschinenbau und anschließend eine Ausbildung zum Vermessungstechniker. In diesem Beruf war er mehrere Jahre tätig und anschließend selbständig. Alsdann wechselte er als selbständiger Immobilienmakler in die Immobilienbranche. Die Tätigkeit umfasste die Gebietsleitung der S für Auslands- und Inlandsimmobilien, die Betreuung der V und S1im Bereich O und die Bezirksleitung der Bausparkasse S im Spezialbankenvertrieb. Es folgte eine Beschäftigung als Gebietsbeauftragter der A Zuletzt war er bis 2009 im Bereich der Baufinanzierung selbständig tätig.
Der Kläger, der 2011 einen Grad der Behinderung von 50 hatte, beantragte am 7. Dezember 2011 bei der Beklagten durch einen bevollmächtigten Rentenberater eine Altersrente für Schwerbehinderte ab dem 1. November 2011. Die von dem Kläger unterschriebene Bevollmächtigung vom 29. November 2011 lautete auf eine Auftrags- und Zustellungsvollmacht einschließlich der Bekanntgabe und Zustellung von Verwaltungsakten und umfasste bei der Beklagten Altersrente zu beantragen und den Kläger in diesem Verfahren zu vertreten.
Auf dem Antragsformular R100 gab der Kläger unter der Ziffer 10.4.4 an, ab Rentenbeginn Arbeitsentgelt zu erhalten und fügte den Vordruck R230 bei. Der Arbeitgeber (O1) bescheinigte einen Beschäftigungsbeginn seit dem 5. Mai 2010 und Arbeitsentgelt in unterschiedlicher Höhe, aber immer unter 399,00 Euro. Diese geringfügige Beschäftigung beendete der Kläger zum 1. April 2013. Der Kläger ergänzte das von seinem Arbeitgeber ausgefüllte Formular handschriftlich und bestätigte durch seine Unterschrift, weder aktuell noch in Zukunft eine selbständige Tätigkeit auszuüben. Zudem gab er unter der Ziffer 10.6. die Durchführung des Versorgungsausgleichs wegen Ehescheidung (am 30. November 1994) an. Der Ehefrau wurden ausweislich des Versicherungskontos Rentenanwartschaften in Höhe von 81,47 Euro (159,34 DM) monatlich übertragen.
Mit Rentenbescheid vom 8. März 2012, der dem bevollmächtigten Rentenberater übersandt (Schreiben der Beklagten vom 8. März 2008) wurde, bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Rentenbeginn zum 1. November 2011. Dem Bescheid waren die Anlagen 1 bis 6 sowie 19 und 20 beigefügt. In der Anlage 5 heißt es wörtlich unter der Überschrift Auswirkungen zum Versorgungsausgleich:
„Der zu Lasten des Versicherungskontos durchgeführte Versorgungsausgleich ergibt einen Abschlag an Entgeltpunkten. Diese Entgeltpunkte sind als Entgeltpunkte (Ost) zu berücksichtigen, da das Familiengericht die Umrechnung des Monatsbetrags der Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte (Ost) angeordnet hat. Diese Entgeltpunkte (Ost) werden ermittelt, indem der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich durch den aktuellen Rentenwert (Ost) mit seinem Wert bei Ende der Ehezeit geteilt wird.
Für die Zeit ab 01.11.2011:
Für die Ehezeit vom 1. Januar 1972 bis 30. November 1993 sind zu Lasten des Versicherungskontos Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragen worden.
Minderung von Entgeltpunkten (Ost) durch Übertragung von Rentenanwartschaften
Die übertragene Rentenanwartschaft ist festgestellt auf monatlich 159,34 DM
Der aktuelle Rentenwert (Ost) bei Ende der Ehezeit beträgt 32,17 DM
Die En...