Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. rückwirkende Aufhebung eines Beitragsbescheids gem § 168 Abs 2 Nr 2 SGB 7. Ermessensausübung
Orientierungssatz
§ 168 Abs 2 Nr 2 SGB 7 erfordert bei der Aufhebung eines Beitragsbescheids für die Vergangenheit zuungunsten des Beitragspflichtigen eine Ermessensbetätigung seitens des Unfallversicherungsträgers.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten auch für die zweite Instanz.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 16.126,51 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine rückwirkende Erhöhung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung.
Der Kläger ist Diplom-Ingenieur und betreibt ein Ingenieurbüro für Schiffbau, für das er eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung besitzt. Mit diesem Unternehmen ist der Kläger Mitglied der Beklagten.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 23. März 1998 veranlagte die Beklagte das Unternehmen ab 1. Januar 1998 zu der Unternehmensart Ingenieurbüro (Gefahrtarifstelle 04, Gefahrklasse 0,67), Arbeitnehmerüberlassung - kaufmännisch verwaltend im Büro (Gefahrtarifstelle 48, Gefahrklasse 0,57) und Arbeitnehmerüberlassung - gewerblich (Gefahrtarifstelle 49, Gefahrklasse 10,66). Nach den vom Kläger ausgefüllten Entgeltnachweisen für die Jahre 1998 bis 2000, wobei der Kläger für die Unternehmensart der Arbeitnehmerüberlassung - gewerblich jeweils eine Fehlanzeige vornahm, errechnete die Beklagte die Beiträge und erließ mit Bescheid vom 27. April 1999 den Beitragsbescheid für 1998, mit Bescheid vom 25. April 2000 den Beitragsbescheid für 1999 sowie mit Bescheid vom 25. April 2001 den Beitragsbescheid für das Jahr 2000.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Juni 2001 veranlagte die Beklagte das Unternehmen des Klägers aufgrund des ab 1. Januar 2001 neuen Gefahrentarifs neu: Das Ingenieurbüro nach der Gefahrtarifstelle 04 (Gefahrklasse für das Jahr 2001 0,80 , ab dem Jahr 2002 0,88), die Arbeitnehmerüberlassung kaufmännisch verwaltend nach der Gefahrtarifstelle 52 (ab 2001 Gefahrklasse 0,56) und die Arbeitnehmerüberlassung gewerblich nach der Gefahrtarifstelle 53 (ab 2001 Gefahrklasse 10,66). Die vom Kläger ausgefüllten Entgeltnachweise für die Jahre 2001 und 2002 enthielten wiederum Fehlanzeige für die Arbeitnehmerüberlassung Gefahrtarifstelle 53. Mit Bescheid vom 24. April 2002 erließ die Beklagte den Beitragsbescheid für 2001 und mit Bescheid vom 23. April 2003 den Beitragsbescheid für 2002. Ein vom Kläger am 7. März 2003 gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde am 28. Mai 2003 wieder zurückgenommen.
Am 10. Juni 2003 sowie am 20. Juni 2003 führte die Beklagte für die veranlagten Unternehmensarten des Klägers Prüfungen durch. Hierbei stellte sie falsche Zuordnungen bei den Gefahrtarifstellen 52 und 53 für die Jahre 1998 bis 2002 fest. Mit Bescheiden vom 25. Juli 2003 errechnete die Beklagte die Beiträge für die Jahre 1998 bis 2002 neu und forderte unter Änderung der ergangenen bestandskräftigen Bescheide vom 27. April 1999, 25. April 2000, 25. April 2001, 24. April 2002 und 23. April 2003 sowie jeweils unter Berücksichtigung der bereits gezahlten Beiträge für das Jahr 1998 3.991,79 EUR, für das Jahr 1999 2.046,89 EUR, für das Jahr 2000 5.483,46 EUR, für das Jahr 2001 3.218,76 EUR und für das Jahr 2002 1.385,06 EUR, insgesamt 16.126,51 EUR nach.
Unter Hinweis auf seine wirtschaftliche Situation beantragte der Kläger bei der Beklagten am 7. August 2003 die Stundung der Beiträge, weil er andernfalls gezwungen sei, einen erneuten Insolvenzantrag zu stellen. Mit am 26. August 2003 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben legte der Kläger Widerspruch gegen die Beitragsbescheide vom 25. Juli 2003 ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die durchgeführte Arbeitnehmerüberlassung nur auf ausdrücklichen Kundenwunsch von ihm durchgeführt worden sei und es sich hierbei nicht um einen eigenständigen Betrieb handele, sondern dazu diene, den Kunden zufriedenzustellen und neue Aufträge für das Ingenieurbüro zu sichern. Die Beklagte wies darauf hin, dass die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung tätigen Ingenieure nicht ausschließlich kaufmännisch und verwaltend tätig seien. Dem widersprach der Kläger. Nach seiner Auffassung sei eine Zuordnung zu den Gefahrtarifstellen 48 (bis zum Jahr 2000) bzw. 52 (für die Jahre 2001 und 2002) zutreffend. Im Übrigen habe die Beklagte verkannt, dass es sich bei der Arbeitnehmerüberlassung lediglich um ein so genanntes Hilfsunternehmen handele, das dem Hauptunternehmen in Form des Ingenieurbüros überwiegend diene. Auch umsatzmäßig liege der Anteil des Hilfsunternehmens erheblich unter dem Anteil dem des Hauptunternehmens. Die Beitragsbescheide wie auch die Säumniszuschlagsbescheide vom 4. April 2004 seien deshalb rechtswidrig. Zugleich beantragte der Kläger die Veranlagungs...