Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. vor- und nachstationäre Behandlung. Leistungserbringung eigener Art. Teil der Krankenhausbehandlung. Fehlen. Verordnung von Krankenhausbehandlung. Nichtvorliegen der Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch. vollstationäre Krankenhausbehandlung. medizinisches Erfordernis. gerichtliche Überprüfung. Nachrangigkeit gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der vor- und nachstationären Behandlung gem § 115a SGB 5 handelt es sich um eine Leistungserbringung eigener Art. Sie ist Teil der Krankenhausbehandlung und stationäre Behandlung im weiteren Sinne.
2. Fehlt es an einer Verordnung von Krankenhausbehandlung, liegen die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch als vorstationäre Behandlung nach § 115a SGB 5 nicht vor.
Orientierungssatz
1. Die Gewährung von vollstationärer Krankenhausbehandlung richtet sich ausschließlich nach medizinischen Erfordernissen, die das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen hat (vgl BSG vom 25.9.2007 - GS 1/06 = BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10).
2. Die vollstationäre Krankenhausbehandlung ist nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung (vgl BSG vom 10.4.2008 - B 3 KR 19/05 R = BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. April 2011 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 854,34 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Vergütungsanspruch der Klägerin für die Behandlung des bei der Beklagten versicherten U. K. (im Folgenden: Versicherter) im September 2003.
Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus in R.. Der Versicherte wurde dort nach einem Sturz am 5. September 2003 auf der Haustreppe mit einem Rettungswagen eingeliefert. Nach der Einsatzdokumentation Rettungsdienst hatte er eine Platzwunde am Hinterkopf und Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule. Er war mit einer Schienung der Halswirbelsäule versorgt worden und im Übrigen bei vollem Bewusstsein und unauffälligem Blutdruck. Bei seiner Aufnahme klagte er über starke Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Neurologische Ausfälle wurden nicht dokumentiert. Im Krankenhaus wurden ein Röntgenbild und anschließend eine Computertomografie (CT) der Halswirbelsäule angefertigt. Diese ergab einen unauffälligen Befund. Daraufhin wurde der Versicherte mit einer Schanz-Krawatte versorgt und auf die Station aufgenommen. Nach seiner Entlassung am 7. September 2003 forderte die Klägerin für die Behandlung von der Beklagten mit Rechnung vom 18. September 2003 1.667,69 EUR unter Zugrundelegung der DRG 168B (nicht operativ behandelte Erkrankungen und Verletzungen im Wirbelsäulenbereich). Die Beklagte zahlte den Betrag zunächst in voller Höhe und verrechnete ihn schließlich am 19. Mai 2004 mit einer anderen zwischen den Beteiligten unstreitigen Forderung. Der Verrechnung lag das Sozialmedizinische Gutachten des MDK Schleswig-Holstein (C. Voß) vom 12. Mai 2004 zugrunde, in dem dieser zu dem Ergebnis einer primären Fehlbelegung kam. Bei der Schmerzsymptomatik handele es sich um ein normales Beschwerdebild im Rahmen einer Halswirbelsäulendistorsion. Auch die Anlage eines Halsstützverbandes rechtfertige nicht zwingend eine vollstationäre Behandlung.
Die Klägerin hat am 30. Dezember 2008 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben. Das Sozialgericht hat von der Chirurgin Dr. H. das schriftliche Gutachten vom 24. November 2010 und die ergänzende Stellungnahme vom 28. März 2011 eingeholt. Die Klägerin verweist darauf, dass der Versicherte mit schweren Schmerzmitteln behandelt worden sei. Das Gutachten sei unwissenschaftlich.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 1.667,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19. Mai 2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sieht sich durch das Gutachten bestätigt.
Das Sozialgericht hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2011 ergänzend angehört und mit Urteil vom gleichen Tag die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 854,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19. Mai 2004 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei der Abrechnung habe die Klägerin zu Recht die DRG 168B zugrunde gelegt, allerdings sei die stationäre Behandlung nur am 5. September 2003 erforderlich gewesen, und zwar bis zu der Auswertung der CT-Bilder an diesem Tag. Die Einschätzung, ob eine stationäre Behandlung erforderlich sei, sei vom aufnehmenden Krankenhausarzt gemäß § 39 Abs. 1 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) unmittelbar beim Eintreffen des Patienten im Krankenhaus zu treffen. Das Gesetz selbst bestimme nicht den Umfang der Prüfung und den Zeitpunkt. Eine Prüfung erst nach Durc...