Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sonderfall des Bemessungsentgelts. Arbeitslosengeldvorbezug. rechtswidrig festgesetztes Bemessungsentgelt. Besitzstandsklausel. keine Bindungswirkung
Orientierungssatz
1. Ein rechtswidrig zu hoch festgesetztes Bemessungsentgelt beim Arbeitslosengeldvorbezug entfaltet auch im Rahmen der Besitzstandsklausel des § 133 Abs 1 SGB 3 idF vom 21.7.1999 (bzw § 131 Abs 4 SGB 3 idF vom 23.12.2003) keine Bindungswirkung, wenn die damalige Arbeitslosengeldbewilligung nicht aufgehoben wurde (entgegen LSG Celle-Bremen vom 31.5.2006 - L 7 AL 161/03).
2. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG (B 7 AL 46/08 R) zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG Kiel (S 6 AL 182/05) wirkungslos.
Tenor
Auf die Berufung werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 8. September 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 18. Oktober 2004 teilweise zurückzunehmen, weil das Bemessungsentgelt von ihr irrtümlich zu hoch angesetzt worden war.
Der ... 1958 geborene Kläger meldete sich am 14. Januar 2002 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Aus der vorliegenden Arbeitsbescheinigung ergibt sich, dass der Kläger vom 1. Februar 2000 bis zum 31. Dezember 2000 als Service-Ingenieur im Außendienst tätig gewesen war und dass das Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung am 15. November 2000 zum 31. Dezember 2000 beendet worden war. Das Arbeitsentgelt wurde bescheinigt für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis 9. Oktober 2000 in Höhe von 54.457,00 DM. Ferner liegt eine Bescheinigung der Krankenkasse vor, in welcher für die Zeit vom 10. Oktober 2000 bis 25. Februar 2002 Verletztengeld gezahlt worden war unter Zugrundelegung eines ungekürzten Regelentgeltes von kalendertäglich 267,67 DM (= 136,86 EUR).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10. April 2002 Alg für die Zeit vom 26. Februar 2002 bis zum 20. Mai 2002 nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 960,00 EUR (Leistungsgruppe C/1) in Höhe von wöchentlich 406,28 EUR. Vom 21. Mai 2002 bis 9. Juli 2002 erhielt der Kläger Übergangsgeld; ab dem 10. Juli 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger erneut mit Bescheid vom 1. August 2002 Alg unter Zugrundelegung des Bemessungsentgeltes von 960,00 EUR.
Mit Schreiben vom 24. September 2002 hörte die Beklagte den Kläger an wegen möglicherweise zu Unrecht erhaltener Leistungen, weil die Bemessung des Alg unter Berücksichtigung des Krankengeldes erfolgt sei, jedoch nicht begrenzt auf 80 % der Beitragsbemessungsgrenze zur Arbeitslosenversicherung. Die Beklagte beabsichtige deshalb die Rücknahme des Bewilligungsbescheides gemäß § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). Am 7. Oktober 2002 meldete sich der Kläger bei der Beklagten wegen des Anhörungsschreibens vom 24. September 2002 und wies auf seine Schutzwürdigkeit im Hinblick auf die Richtigkeit des Verwaltungsaktes hin, bezog sich inhaltlich in dem Schreiben jedoch auf die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 21. Mai bis 31. Mai 2002. Die von der Beklagten errechnete Überzahlung für die Zeiträume 26. Februar bis 20. Mai 2002 und 10. Juli 2002 bis 31. Juli 2002 in Höhe von 768,50 EUR wurde nicht zurückgefordert.
Am 9. Januar 2004 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos. Aus der vorgelegten Bescheinigung der Krankenkasse ergibt sich für die Zeit vom 10. September 2002 bis 26. Januar 2004 der Bezug von Krankengeld nach einem ungekürzten Regelentgelt von kalendertäglich 136,86 EUR. Mit Bescheid vom 4. Februar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 27. Januar 2004 Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 952,52 EUR mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 335,37 EUR. Hiergegen legte der Kläger am 4. März 2004 Widerspruch ein wegen des zu gering bemessenen Leistungssatzes. Er begründete dies damit, dass es sich um ein Wiederaufleben des durch Krankheit unterbrochenen Leistungsbezuges vom 1. August 2002 handele und ihm ein wöchentlicher Leistungssatz von 406,28 EUR zustehe. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2004 zurück. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Kiel (S 6 AL 512/04) anerkannte die Beklagte am 8. September 2005 die Zahlung von Alg nach einem Bemessungsentgelt von 960,00 EUR vom 27. Januar 2004 bis 17. Oktober 2004; die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit für erledigt.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2004 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg für die Zeit ab dem 18. Oktober 2004 teilweise in Höhe von 45,29 EUR wöchentlich auf, weil das Alg von Anbeginn an fehlerhaft bemessen worden sei. Zur Begründung führte sie aus, dass sich keine besonderen Gesichtspunkte ergeben h...